Ritt auf der Retrowelle

Was macht das Comeback von Shows für Publikum und Sender attraktiv? „Formate nicht kopieren, sondern aktuell erzählen“

Die großen TV-Senderfamilien legen ihre „Greatest Hits“ neu auf. Sie haben Unterhaltungs-formate wie „TV Total“, „Wetten, dass …?!“, „Der Preis ist heiß“, „Geh aufs Ganze!“, „Rich-terin Barbara Salesch“, „7 Tage, 7 Köpfe“ zurück ins Fernsehen gebracht.

Comebacks von „Britt – der Talk um eins” sowie des Dating-Klassikers „Herzblatt“ sind be-reits in der Pipeline. Doch nicht jede frühere Format-Idee kommt beim Publikum gleich gut an. Während der ZDF-Klassiker „Wetten, dass …?!“ mit Thomas Gottschalk beim Revival eine Top-Quote von 14 Millionen Zuschauern einfuhr, floppte die Neuauflage von „7 Tage, 7 Köpfe“. Das wirft die Frage auf: Wie gelingt ein TV-Comeback? Darüber haben Pro-grammmacher:innen im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN diskutiert.
Damit sich alte Hits nachhaltig durchsetzen, müssten Konzepte aufgefrischt und auf die neue Zielgruppe angepasst werden, erläuterte die TV-Richterin Barbara Salesch, die nach zehnjähriger Pause wieder mit einer täglichen Gerichts-Show auf Sendung ist. Ihre Sen-dung ist inzwischen bei RTL, nicht mehr bei Sat.1 im Programm. Und noch ein wesentlicher Punkt hat sich geändert: „Die Fälle, die wir verhandeln, sind nicht adaptiert, sondern aktuell. Hinzu kommt, dass wir heute durch IT und Social Media viel bessere Recherchemöglichkei-ten haben als vor zehn Jahren“, erklärte die TV-Richterin. Wer wisse denn schon, dass ein Rasenroboter sachdienliche Hinweise darüber liefern kann, ob sich ein Täter wirklich am Tatort aufgehalten habe.
Eines wurde bei der Expert:innen-Runde klar: Damit sich alte Hits in der heutigen Zeit durchsetzen, müssen Sender viel Vorarbeit leisten. Dabei ist die Neubesetzung alter Publi-kumslieblinge eine große Herausforderung. Nicht immer lässt sich ein adäquater Ersatz finden. Das hat sich beispielsweise bei „7 Tage, 7 Köpfe“ gezeigt. „Diese kongeniale Inter-aktion zwischen Rudi Carrell und Mike Krüger war das, was die Sendung ausgemacht hat“, sagte Prof. Axel Beyer, ehemaliger Unterhaltungschef von WDR und ZDF und heute im Vorsitz des Medien Management Instituts der Hochschule Fresenius.
Doch warum werden überhaupt so viele Formate neu aufgelegt? Mangelt es den TV-Macher:innen an Mut oder Ideen, fragte Senta Krasser, Journalistin und Moderatorin des Panels. Tatsächlich habe es im Fernsehmarkt in den vergangenen Jahren wenig Bahnbre-chendes im Unterhaltungsbereich gegeben, urteilten die Teilnehmenden der Diskussion. Als Leuchttürme gelten „The Masked Singer“ und „Wer stiehlt mir die Show?“.

Häufig werden als Grund für die Retro-Welle die unruhigen Zeiten, in denen sich die Zu-schauer:innen nach Vertrautem sehnen, angeführt. Das stellte Axel Beyer in Frage. Der Grund sei für ihn wesentlich banaler. Es mangele an guten neuen Ideen. Deshalb sei „die Wiederholung die wichtigste Ressource des TV“, argumentierte Beyer. Das sei auch wenig verwerflich, denn auch in anderen Gattungen wie Mode, Musik oder Kino sei es üblich, sich aus alten Anleihen zu bedienen. Lieder würden gecovert, Filme neu produziert. „TV-Formate können aber nur dann erfolgreich sein, wenn sie nicht kopiert, sondern aktuell er-zählt werden“, gab Beyer zu bedenken. Neue technische Möglichkeiten würden das ihrige dazutun, um aktuellere Verpackungen zu schaffen. Dennoch dürfe man sich nichts vorma-chen: Nicht jede Idee lasse sich noch einmal mit einer neuen Schleife verpacken, lautete Beyers Einschätzung.
Dass sich nicht alles wiederbeleben lässt, weiß auch Hugo Egon Balder, Moderator und TV-Produzent, der für ein Comeback der früheren RTL-Erotik-Gameshow „Tutti Frutti“ von RTL Nitro angefragt wurde. Er habe abgelehnt, das Format zu moderieren, da er nicht an den Wiederholungs-Erfolg glaube. „Jetzt gibt es Tiktok. Mit so einer Sendung kann man heute keine Aufmerksamkeit mehr erzielen“, lautete Balders Einschätzung. Er empfahl den Sendern, sich wirklich gut zu überlegen, mit einer alten Formatidee neu in Serie zu gehen. Der Ansatz „So, jetzt erinnern wir uns alle mal an früher“ könne nicht funktionieren. Deshalb werde er die Comedy Show „RTL Samstag Nacht“, die vor dreißig Jahren große Erfolge feierte, als einmalige Gala-Show on Air bringen.