Die Wirksamkeit der „kleinen Dinge“

Wie die Bilder von heute die Realität von morgen verändern können

Vier von fünf Befragten machen sich Sorgen um den Klimawandel und den Schwund an Biodiversi-tät. Sie möchten darüber mehr wissen, auch und vor allem via Fernsehen. Dies sind einige Befunde der von der MaLisa Stiftung beauftragten Studie „Klimawandel und Biodiversität: Was zeigt das Fernsehen – Was wollen die Zuschauerinnen und Zuschauer?“, die in Kooperation mit ARD, ZDF, ProSiebenSat.1 Media und RTL Deutschland realisiert wurde.

Die Schauspielerin und Produzentin Maria Furtwängler hatte die Stiftung gemeinsam mit ihrer Tochter Elisabeth ursprünglich ins Leben gerufen, um für mehr Geschlechtergerechtigkeit im Fernsehprogramm zu werben. Nun hat sie das Portfolio um die „Menschenheitsthemen“ Klimawandel und Artenschwund erweitert. Die Studie, auf deren Ergebnisse während der MEDIENTAGE MÜNCHEN Bezug genommen wurde, zeigt, dass vor allem fiktionale Formate, Kinder- und Quiz-Sendungen noch viel Potenzial haben, um über Klimawandel zu informieren und aufzuklären. Nur 1,8 Prozent der Sendeminuten (bei einer Auswertung von zwanzig deutschen TV-Programmen) befassen sich mit dem Thema.

Sie sei selbst überrascht davon gewesen, dass nur eine Minderheit dem Thema ablehnend gegen-überstehe, erklärte Maria Furtwängler. Diese Minderheit agiere allerdings extrem laut und verschlei-ere das wahre Bedürfnis der Mehrheit. Ebenso sei sie verblüfft gewesen, dass das Fernsehen bei dem Bedürfnis nach Information so prominent genannt wurde. „Damit erreichen wir natürlich nur die Älteren“, räumte sie ein. Aber die seien in dieser Gesellschaft eben auch die Entscheider.
Innerhalb des Fernsehkosmos hat Joko Winterscheidt vergleichsweise junge Fans. Der Entertainer und Showmaster, der sich schon seit längerem zu gesellschaftlichen Themen äußert, hat im Som-mer auf Amazon Prime eine sechsteilige Dokuserie veröffentlicht. Für „The World´s Most Dangerous Show“ reiste Winterscheidt auf verschiedene Kontinente, um Folgen des Klimawandels und mögli-che Lösungen aufzuzeigen. Ihn habe überrascht, dass z.B. die Menschen in Afrika, wo die Heraus-forderungen schon längst größer seien als bei uns, den Herausforderungen mit mehr positiver Krea-tivität begegneten. Dabei seien die Afrikaner viel weniger für die Situation verantwortlich als „wir“, die Menschen aus den Industrieländern. „Wir befinden uns in einer Bequemlichkeitsrolle“, mahnte Winterscheidt.
Einig waren sich Winterscheidt und Furtwängler im Gespräch mit der Journalistin Eva Schulz, dass es gar nicht darum gehe, im Fernsehen ständig das „große Fass Klima“ aufzumachen. „Wir schauen nicht nur nicht nach vorne, sondern bilden nicht einmal die Wirklichkeit ab“, mahnte Furtwängler. Als Beispiel nannte sie einen Dreh im Harz, bei dem dann die kaputten Bäume nachkoloriert wurden, um weiterhin heile Welt zu suggerieren. Ähnliches sei bei der Produktion einer Weihnachtskomödie passiert, als mit Kunstschnee nachgeholfen werden musste. „Aber wer feiert bei uns denn noch weiße Weihnachten?“, fragte sie.

Es seien „die kleinen Dinge“, die zählten, erklärte die Schauspielerin und schlug zum Beispiel vor, Verfolgungsjagden im „Tatort“ über Dächern mit Solar-Paneln zu inszenieren. Sogar in Shows gebe es großes Potenzial. So könne man in Kochsendungen über die CO2-Abdrücke verschiedener Zuta-ten informieren. Es könne ja nicht sein, dass in der Werbung um die Sendungen herum Klimawan-del stärker thematisiert werde als in den Sendungen selbst, weil ein Unternehmen mit grünem En-gagement, das manchmal nur Greenwashing sei, für sich werben möchte. Mehr Mut sei gefordert, sagte auch Winterscheidt und rief die Medienschaffenden auf: „Ihr alle habt die Chance, was zu machen.“ Speziell beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, so stellte Furtwängler fest, herrsche eine gewisse Ängstlichkeit, weil dieser zu lange von Gegnern als „links-grün versifft“ dargestellt worden sei. Dabei seien die Themen Klimawandel und Biodiversität doch Themen, die allen politischen Par-teien am Herzen liegen müssten und zu ihrer Programmatik passten.