„Der große Elefant muss sich bewegen“

She-Economy – Brauchen wir ein feministisches Marketing?

Wie steht es um die Diversität in der Werbung? Wenn es nach Kristina Bonitz, Geschäftsführerin der Berliner Strategieberatungsagentur Diffferent geht, kann Werbung nie divers genug sein. Im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN ist die Frage nach einem feministischen Marketing diskutiert worden.

Für Kristina Bonitz ist es dabei „unverständlich, dass viele Unternehmen noch immer keine Ahnung haben, was Frauen wünschen und welche Bedürfnisse sie haben“.

Almut Schnerring, Mit-Autorin des Buches „Die Rosa-Hellblau-Falle“ und Gendermarketing-Expertin, stimmte zu: „Die Mehrheit denkt, wir seien längst weiter, und urteilen dabei aus dem Baugefühl heraus. Schaut man allerdings genauer hin, dann ist das schon zum Gruseln.“ Bereits ein Blick ins Kinderzimmer zeige die tradierte binäre Hellblau-rosa-Welt. Und in der Werbung würden Frauen noch immer überwiegend in einer fürsorglichen Rolle abgebildet oder seien ab einem bestimmten Alter gleich völlig unsichtbar. „Mein größter Kritikpunkt ist, dass das Phänomen Gender Care Gap die Hauptursache für alle anderen Gaps ist und dies maßgeblich auch über die starken Bilder in der Werbung gefördert wird“, sagte Schnerring.

Michaela Ernst, Chefredakteurin und Co-Founderin von SHEconomy Wirtschaftsmedien in Wien, sieht allerdings auch positive Entwicklungen: „Sprache spielt eine zunehmend wichtige Rolle in der Wirtschaft, so wird in Recruiting-Verfahren immer stärker so formuliert, um gezielt Frauen anzusprechen. Das setzt sich bis in die Werbung fort.“ Getrieben werde diese Entwicklung durch den auch in Österreich herrschenden Fachkräftemangel. Almut Schnerring reicht das nicht aus. Bestimmte Branchen, wie etwa der Handwerks- oder Care-Bereich, hielten noch immer an den üblichen Stereotypen fest – „so wie wir sozialisiert worden sind“. Damit würden die Firmen sich aber selbst schaden: „Warum nutzen sie nicht eine adäquate Ansprache in ihrem Außenauftritt und reproduzieren stattdessen immer weiter das Klischeebild der sich kümmernden Frau?“, fragte Schnerring.

Nach Ansicht von Kristina Bonitz liefert der Niedergang der US-Firma Tupperware ein warnendes Beispiel. Die Firma sei abgestürzt, „weil komplett ignoriert wurde, dass es das Hausfrauenbild, das Tupperware propagierte, gar nicht mehr gibt“. Der gesellschaftliche Wandel gehe in die richtige Richtung, für viele Unternehmen bestehe allerdings immer noch ein „blind spot“. Als Beispiel nannte sie die Pharma-Branche: Dreißig Prozent der Medikamente, die von Frauen eingenommen würden, würden gar nicht an Frauen getestet. Ein weiteres Beispiel seien Finanzprodukte, die maßgeblich für männliche Bedürfnisse und Lebensläufe designt würden. „Entscheidend ist dabei, ob ich nur die Kommunikation rosa anpinsele oder wirklich die Bedürfnisse der Zielgruppe anspreche“, unterstrich Bonitz. Almut Schnerring sieht das Problem, dass die Mehrheit der Gesellschaft davon ausgehe, dass auf dem Gender-Gebiet schon viel passiert sei. So werde nicht erkannt, wo weiterhin Probleme bestehen würden.

Die SHEconomy-Chefredakteurin kritisierte vor allem, dass es im deutschsprachigen Raum zu wenig Kinderbetreuungsplätze gebe, weshalb auch die Frauenquote in den Führungspositionen im internationalen Vergleich geringer sei. Almut Schnerring ergänzte: „Wir brauchen alle mehr Zeit, weshalb wir Männer viel stärker in den Care-Bereich holen müssen.“

Kristina Bonitz warnte die Unternehmen allerdings davor, einfach wieder auf die nächste Trendwende aufzuspringen. Viel wichtiger sei es zu überlegen, „welchen Beitrag ich im Alltag der Frauen leisten kann und möchte. Im Sinne einer wertebasierten Unternehmensführung muss man sich systemisch mit diesem Thema auseinandersetzen. Denn klar ist auch: Der große Elefant muss sich bewegen.“