Weichenstellung für die öffentlich-rechtliche Zukunft

Rat für die Zukunft: Wie geht's weiter mit den Öffentlich-Rechtlichen?

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht vor enormen Herausforderungen. „Die Welt und der mediale Bereich wandeln sich in unglaublicher Geschwindigkeit, die Rezeption verändert sich ebenso massiv wie die Wahrnehmung des öffentlich-rechtlichen Systems“, erklärte Prof. Bettina Reitz im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN.

Die Präsidentin der Hochschule für Fernsehen und Film München (FFH) ist Mitglied des Zukunftsrats, dessen acht Mitglieder im Auftrag der Rundfunkkommission seit März Vorschläge erarbeiten mit dem Ziel, eine langfristige Perspektive für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seine Akzeptanz auch über das Jahr 2030 hinaus zu entwickeln. „Es wurde auf diesem Weg Zeit verloren, aber man kann noch die richtigen Weichen stellen“, resümierte Reitz.
Dr. Florian Herrmann, bayerischer Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien, sorgt sich generell um die Entwicklung unserer Medien und damit einhergehend der Demokratie. Die Frage sei: „Wie stärke ich die Medien und den Qualitätsjournalismus, um einen gut informierten Diskurs in der Gesellschaft zu fördern?“ Herrmann sieht die freie Meinung und offene Gesellschaften weltweit unter Druck, beispielsweise durch gezielte Desinformationskampagnen. „Deshalb muss es unser Ziel sein, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk über Jahrzehnte hinaus zu stützen oder aufrechtzuerhalten.“ An der schwindenden Akzeptanz sehe man, dass es Handlungsbedarf gebe. Allerdings dürfe man sich auch nicht verrückt machen lassen. „Bestimmt sind einige Dinge nicht mehr zeitgerecht, aber wir dürfen nicht in die Falle tapsen, ständig das gesamte System madig machen zu lassen“, erklärte der Staatsminister. Die wichtigste Währung der Medien sei Vertrauen und dies sei über Qualität zu erlangen, indem sich die Menschen darauf verlassen könnten, dass sie gut recherchierte und ausgewogene Informationen bekämen.
Die Vertrauenswerte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bezeichnete Dr. Katja Wildermuth, Intendantin des Bayerischen Rundfunks, immer noch als relativ stabil. 75 bis 80 Prozent der Deutschen hielten das öffentlich-rechtliche Programmangebot für vertrauenswürdig und des Rundfunkbeitrags wert. „Was uns beunruhigen sollte ist, dass die Vertrauenswerte generell erodieren über ein ,Die-da-oben-Narrativ‘ und Anti-Establishment-Strömungen.“ Die Intendantin sieht ihre Branche vor drei großen Herausforderungen: die Veränderungen im Mediennutzungsverhalten, die Überflutung des Marktes mit neuen Playern und der Wandel der Gesellschaft, der vieles erodieren lasse. Der Zukunftsrat hätte nun die Chance, „out of the Box“ zu denken – unbeeinflusst von föderalen Strukturen.
Rudi Hoogvliet, Staatssekretär für Medienpolitik und Bevollmächtigter des Landes Baden-Württemberg beim Bund, begrüßte die breit gefächerte Expertise des Beratergremiums und erwartet Vorschläge mit Langzeitperspektive.

„Um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen, würde ich auch eine Bürgerbefragung befürworten, denn der öffentlich-rechtliche Rundfunk geht schließlich jeden an“, sagte Hoogvliet. Ein Vorschlag, für den sich sein bayerischer Kollege Florian Herrmann wenig erwärmen mochte: „Dialog kann Führung nicht ersetzen, es muss eine klare Vorstellung geben, wo man hinwill.“
Ein wesentlicher Punkt in der Diskussion um die Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Systems sind die Finanzen. Derzeit laufen die Beratungen der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) für die Zeit ab 2024. Rudi Hoogvliet plädierte dafür, die Strukturen der Finanzierung grundsätzlich zu überdenken und zu diskutieren, diese stärker von den politischen Prozessen abzukoppeln. Zwar sei die KEF eine bewährte Institution, allerdings gebe es schon im Vorfeld politische Stimmen zum künftigen Finanzbedarf der Anstalten. So hätten sich bereits sechs Landesregierung gegen eine Erhöhung positioniert. „Es wird darauf hinauslaufen, dass dann geklagt wird, und das kann auch nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Daher ist jetzt schon klar: Auch wir wollen Beitragsstabilität“, kommentierte Florian Herrmann.

Für die Zukunft werden verschiedene Lösungen diskutiert, beispielsweise eine Indexierung. Aber vielleicht kann hier auch der Zukunftsrat neue Ideen liefern. Bettina Reitz ist sich sicher, dass „von uns Impulse ausgehen werden, mit denen man sich intensiv befassen muss“. Dabei ist es ihr besonders wichtig, junge Menschen beispielsweise über attraktive Einstiegspakete besser an das System heranzuführen und nicht über eine zu hohe Gebühr abzuschrecken. „Dies wäre ein großer Wunsch von mir, denn diese Vorbehalte höre ich immer wieder in den Gesprächen mit unseren Student:innen“, sagte die FFH-Präsidentin.