Erst junge Frau, dann Oma
Golden Girls. Weibliche Sichtbarkeit und Modern Aging in den deutschen Medien
Obwohl mit einem hohen Alter üblicherweise ein großes Reservoir an Lebenserfahrung assoziiert wird, werden Frauen in ihrer zweiten Lebenshälfte entweder kaum in den Medien wahrgenommen oder klischeehaft dargestellt. Warum leiden Frauen unter dem medialen „Jugenddiktat“ stärker als Männer?
Antworten darauf suchte die Journalistin Senta Krasser im Gespräch mit Marijke Amado, Silke Burmester und Juliane Eßling während der MEDIENTAGE MÜNCHEN.
Als Marijke Amado 1978 als Assistentin von TV-Showmaster Rudi Carrell – nach ihren Angaben ein „saublöder Job“ – in das deutsche Showgeschäft einstieg, hätten noch „Machos“ die Studios dominiert, berichtete die Moderatorin. Amado war danach Teil des Moderator:innen-Teams der Sendung „WWF Club“ im WDR. Von 1990 bis 1998 präsentierte sie die „Mini Playback Show“ von RTL. In der letzten Staffel 1998 wurde sie durch die deutlich jüngere Jasmin Wagner, auch bekannt als Sängerin „Blümchen“, ersetzt. Seitdem habe sich vieles geändert, berichtete Marijke Amado. Obwohl viele Unterhaltungschefs heute noch jüngere Akteurinnen bevorzugen würden, gebe es viele Fortschritte. Während sie noch um die Sichtbarkeit von Frauen hätte kämpfen müssen, arbeiteten diese heute in allen Bereichen, zum Beispiel als Kamerafrau. Auch die Umgangssprache am Set habe sich verbessert. Die Moderatorin, die im Februar siebzig Jahre alt wird, wünscht sich mehr Austausch zwischen den Generationen und forderte, dass Medien die Lebenswelt aller Frauen abbilden sollten.
Die Publizistin und Autorin Silke Burmester sah die Situation kritischer. Sie warf insbesondere den öffentlich-rechtlichen Programmanbietern vor, sie würden Frauen in ihrer Altersgruppe klischeehaft darstellen: als „Kümmerin“, zum Beispiel als Tierärztin oder Mutter, oder als verlassen und traurig. Weil sie mit Ende vierzig in ihrem Beruf als Journalistin und Dozentin keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr gesehen habe, gründete sie 2021 das Onlinemagazin „Palais F*luxx“ für Frauen ab 47 Jahren. Es soll die Erfahrungen, Sehnsüchte und Ideen von Frauen in den Wechseljahren widerspiegeln. Mit der Schauspielerin Gesine Cukrowski hat Burmester zudem die Initiative „Let’s Change the Picture!“ gegründet, die 2023 mit dem Ehrenpreis des Deutschen Schauspielpreises ausgezeichnet wurde.
Silke Burmester sagte, dass die Gesellschaft keine wirkliche Vorstellung von Frauen im Alter zwischen 50 und 56 Jahren habe. Danach würden ältere Frauen erst wieder unter dem Klischee der „Oma“ öffentlich wahrgenommen. Als „alte weiße Frau“ in einem antirassistischen Kontext hinter einer jungen Frau mit Migrationshintergrund zurückzutreten, empfinde sie jedoch nicht als Bedrohung. Frauen dürften allerdings nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Die Sat.1-Chefredakteurin Juliane Eßling erkannte in puncto Frauenbild Fortschritte im deutschen TV-Geschäft. Die privatwirtschaftlichen Programmanbieter hätten die werberelevante Zielgruppe um zehn Jahre auf die 14- bis 59-Jährigen erweitert. Frauen wie die Fernsehmoderatorinnen Marlene Lufen und Katja Burkhard oder die Schauspielerin Katja Heinrich repräsentierten „tolle Role Models“. Sat.1 habe die Moderatorin Birgit Schrowange für „Birgits starke Frauen“ zurückgeholt. Obwohl das Format im Juni 2022 abgesetzt wurde, wollte Juliane Eßling das Format nicht als Misserfolg werten.
Angesprochen auf die Programmstrategie von Sat.1 mit stärkerem Fokus auf ein weiblich geprägtes Programm für die 40- bis 65-Jährigen, entgegnete Juliane Eßling, dass sich Frauen grundsätzlich für alle Themenbereiche interessierten. Sendeplatz, Storyline und Qualität des Formats bestimmten maßgeblich den Publikumserfolg. Sie wehre sich gegen sogenannte „Frauenthemen“ wie die Wechseljahre und hinterfragte grundsätzlich, wie „eine Frau über fünfzig“ denn auszusehen habe.