Dauerbrenner mit Brennstoffbedarf
Dokumentationen – die neuen „Blockbuster“?
Dokumentationen und Dokumentations-Serien im Fernsehbereich haben sich in den vergangenen zehn Jahren zu einem stabilen Programmformat entwickelt, das von Zuschauer:innen aller Altersko-horten nachgefragt und konsumiert wird. Da die Produktionsbudgets jedoch in Zukunft nicht steigen werden, geht die Strategie von Produktionsfirmen und Fernsehsendern hin zu „Klasse statt Masse“.
Wie der Spagat zwischen gedeckelter Budgetierung und hoher Qualität angesichts des internationalen Konkurrenzkampfes um Rezipient:innen gelingen kann, das besprachen Expert:innen im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN. Die Diskussion wurde vom Bayerischen Rundfunk und von der Fachzeitschrift MedienWirtschaft veranstaltet.
Thomas Hinrichs, Programmdirektor Information beim Bayerischen Rundfunk, erklärte, dass sich das Programmformat Dokumentation „innerhalb des Produktlebenszyklus“ noch in der Entwicklungsphase befinde, bei der kein Ende des Trends abzusehen sei. Um Dokumentationen als Dauerbrenner zu etablieren, müsse es ein gutes Miteinander zwischen Fernsehsendern und Produktionsfirmen geben. Es gehe darum, „Kompetenzen zu kumulieren“, wodurch der „Production Value“ der Dokuproduktionen erhöht und aus dem zur Verfügung stehenden Budget mehr Qualität generiert werde. Um die Reichweite von Dokus zu erhöhen, müsse „ein noch jüngeres Publikum“ erreicht werden. „Das gelingt durch den Einsatz neuer Erzählideen und von grafischen Gestaltungsmitteln“, sagte Hinrichs.
Björn Böhning, Geschäftsführer und Sprecher des Gesamtvorstandes der Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen e.V., erwiderte, dass Dauerbrennern implizit sei, dass ihnen immer Brennstoff zugeführt werden müsse. Viel werde über Dokus gesprochen, die Budgets aber würden nicht erhöht. Der Aufwand und die Kosten für Recherchen und allgemein die Vorarbeit von Doku-Produktionen werde verkannt. „Der vorproduktionäre Bereich ist prekär“, beklagte Böhning. Er plädierte dafür, in Deutschland die Förderbedingungen für diese Sparte zu verbessern, um das Risiko für Produzent:innen zu mindern. Den Produktionsstandort Deutschland bezeichnete Böhning gleichwohl als attraktiv, da deutsche Geschichten auch international erfolgreich seien.
Christine Strobl, Programmdirektorin für das ARD-Gemeinschaftsprogramm Das Erste und für die ARD-Mediathek, pflichtete Böhning in dem Punkt bei, dass die Budgets „aufgestockt“ werden müssten, um auf dem internationalen Doku-Markt konkurrenzfähig bleiben zu können. Aber: „Das wird nicht passieren. Die Budgets der Öffentlich-Rechtlichen werden nicht ansteigen“, prognostizierte Strobl. Sie möchte Dokumentationen auf dem nationalen Markt als Format stärken. „Dokus müssen das Kernstück der Mediathek sein“, sagte Strobl. Serien-Dokus über Menschen und über Wissen, die zu regionalen Themen produziert würden, ließen sich auf ganz Deutschland „ausrollen“, so die Programmdirektorin.
Dr. Christoph Schneider, Country Director Prime Video für Deutschland und Österreich sowie Geschäftsführer von Amazon Digital Germany GmbH, legte dar, dass Dokus aufgrund ihres besonderen Storytellings einen festen Platz im Produktportfolio seines Unternehmens einnehmen würden. Die Budgets für Dokuproduktionen seien bei Prime Video deswegen niedriger als bei den öffentlich-rechtlichen Anbietern, da Dokus durchaus günstiger produziert werden könnten, erklärte Schneider. Er unterschied in dem Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung des Kund:innen im Gegensatz zu der des Produzenten in Bezug auf Qualität und Mehrwert. Produktionskosten würden zum Beispiel dann steigen, wenn „die Produzenten für sich einen Mehrwert erzeugen, der von den Kunden gar nicht als Mehrwert wahrgenommen wird“, sagte Schneider. Um die Wirtschaftlichkeit von Doku-Produktionen zu erhöhen und um in dem Segment international wettbewerbsfähig zu bleiben, arbeite sein Unternehmen mit Lizenzprodukten und mit Eigenproduktionen in Form von Blockbustern.