„Digitalkonzerne zerstören Demokratie und Wirtschaft“

Big Tech muss weg

Die publizistische und wirtschaftliche Macht der digitalen Großkonzerne wie Meta, Amazon, Alphabet, Microsoft und Apple müsse unmittelbar begrenzt werden. Andernfalls drohe nicht weniger als eine dauerhafte Aushöhlung demokratischer Gesellschaften.

Die Übermacht dieser Digitalkonzerne habe bereits dazu geführt, dass diese Plattformen die politischen Diskurse bestimmten. Mit dieser Warnung hat Dr. Martin Andree, Gründer des Startups AMP Digital Ventures und Medienwissenschaftler, während der MEDIENTAGE MÜNCHEN seine radikale Forderung untermauert, dass „Big Tech“ wegmüsse.

Andree veranschaulichte das drohende Szenario in Wirtschaft und Politik mittels verschiedener Diagramme, die die Konzentration der publizistischen und wirtschaftlichen Macht der genannten Konzerne illustrierten. Für eine umfangreichen wissenschaftlichen Studie wurde der sogenannte GINI-Koeffizient ermittelt. Dieser bildet auf einer Skala von 0 bis 1 ab, in welchem Verhältnis der weltweite Internet-Traffic zu den Anbietern und Akteuren steht, die ihn generierten. Der Skalenwert 0 stehe dabei für eine Relation, in der alle Marktteilnehmer die gleiche Reichweite erzeugen würden – der Wert 1 bedeute, dass die publizistische Macht in der Hand nur eines Anbieters liege. Das Ergebnis seiner Forschung zeige mit einem GINI-Wert von 0,988, dass schon heute eine fast vollständige Konzentration der Reichweiten bei weniger als zehn Marktteilnehmern läge.

In diesem Szenario hätten sowohl öffentlich-rechtlicher bzw. privater Rundfunk als auch Medienhäuser, Markenplattformen oder E-Commerce-Anbieter keinen nennenswerten Einfluss mehr auf politische und wirtschaftliche Prozesse. „Das freie Internet und unabhängige analoge Medien wurden bereits abgeschafft“, erklärte Martin Andree.

Der Wissenschaftler begründete diese Entwicklung mit mehreren Faktoren. Die Plattformen hätten erreicht, dass Menschen dabei sein wollten, weil Freunde und Bekannte ebenfalls dabei seien. Dadurch entstehe eine enorme Sogwirkung. Darüber hinaus hätten die Konzerne geschlossene Standards geschaffen, die andere Anbieter konsequent ausschließen würden. Schließlich zahlten die Digitalkonzerne in der Regel keinerlei Honorare für Inhalte und seien von jeglicher Verbreiterhaftung befreit. Die größte Macht übten diese Big-Tech-Riesen jedoch dadurch aus, dass Links von ihren Plattformen vor allem zu eigenen Inhalten führten. Andree prognostizierte, dass – sollte es in diesem Bereich keine Regulierung geben – der publizistische und wirtschaftliche Anteil der Digitalkonzerne bis 2029 bei mehr als 75 Prozent liegen werde. Dies sei nicht zuletzt deshalb zu befürchten, weil in dieser Zeit bis zu 90 Prozent der Werbebudgets an die Big-Tech-Unternehmen fließe.

Grundsätzlich seien sich alle politischen Akteur:innen einig, dass diese demokratiegefährdende Marktmacht der großen Tech-Konzerne begrenzt werden solle. Im Moment, so warnte Andree, sei das Bewusstsein für die Dringlichkeit des Problems jedoch noch zu wenig ausgeprägt. „Dabei könnten durch einfache und kostengünstige Maßnahmen schnell Erfolge erzielt werden: Verpflichtungen der Konzerne zu offenen Standards, Trennung von Verbreitungsweg und Inhalt oder ein Verbot, strafbare Inhalte zu monetarisieren, wären sofort umsetzbar. „In spätestens zwölf Monaten wäre der Spuk vorbei“, sagte der Wissenschaftler, der unter anderem als Privatdozent für digitale Medien an der Universität zu Köln tätig ist. Insgesamt plädierte er dafür, in einem weltweiten Verbund das Problem anzugehen und so die weitere Machtkonzentration der Big-Tech-Konzerne wirksam zu unterbinden.