Duales System reloaded – Mehr Werbung für mehr Medienvielfalt?

„Öffnet die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen!“

„Starke Marken sind ein wichtiger Teil der Erfolgsgeschichte Deutschlands.“ Norman Wagner, Leiter Konzern Media bei der Deutschen Telekom, hat im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN die wirtschaftliche Bedeutung der Markenkommunikation beschworen – und diese folgt bekanntlich der Mediennutzung.

Dabei habe sich nicht nur die zunehmende Medienfragmentierung für die Werbekunden zu einem Problem entwickelt, sondern auch die wachsende Beliebtheit der meist werbefreien Mediatheken, allen voran der öffentlich-rechtlichen Angebote. „Hier findet immer mehr Medienkonsum statt, allerdings ohne die Marken“, erklärte Wagner. So werde es immer schwieriger, wirksame Reichweiten für die Werbekampagnen zu generieren. Der Telekom-Manager: „Diese geschlossenen Ökosysteme können sich zu einem Sargnagel für den Standort Deutschland entwickeln. Aus Sicht der Werbekunden brauchen wir steuerbare Reichweiten – und da gehören die öffentlich-rechtlichen dazu.“
Auch Klaus-Peter Schulz, Geschäftsführer der Organisation der Mediaagenturen (OMG), plädierte für eine Öffnung der öffentlich-rechtlichen Mediatheken, argumentierte aber mit der wachsenden Marktmacht der großen Digital- und Streaming-Plattformen. „Das gesamte Wachstum des boomenden Bewegtbildmarktes wandert fast ausschließlich ins Silicon Valley, deshalb müssen wir hier im deutschen Markt mehr Angebotsflächen erschließen.“ Schließlich sei die Branche jetzt an dem Punkt angekommen, wo man sich überlegen müsse, wie die Anbieter des dualen Systems wieder an diesem Wachstum teilhaben könnten. Sein Appell: „Öffnet die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen, aber so, dass auch die Privatanbieter davon partizipieren können.“ Hierfür sei es nötig, altes Lagerdenken zu überwinden und das etablierte duale System neu zu denken. So könne man über gemeinsame offene Vermarktungssysteme diskutieren, deren Erlöse beiden Lagern zugutekämen. „Wir müssen das duale Systeme wieder in die Wettbewerbsfähigkeit zurückbringen“, forderte Schulz.
Martin Krapf, President der Global TV Group, hält dies für einen „denkenswerten Vorschlag“. Es sei an der Zeit, die gewohnten Gedankengänge zu hinterfragen. Seiner Ansicht nach sollte die tradierte Konkurrenz zwischen öffentlich-rechtlichen und privatwirtschaftlichen Programmanbietern der Vergangenheit angehören, denn der reale Wettbewerb finde mit den großen internationalen Konzernen statt. „Zusammenarbeit sollte jetzt die höchste Priorität haben, und je größer die Kooperationen ausfallen, umso besser.“ Die Wahrscheinlichkeit kartellrechtlicher Bedenken schätzt er inzwischen geringer ein als noch vor zehn Jahren.

Der Geschäftsführer des ZDF Werbefernsehens, Hans-Joachim Strauch, freute sich über die Wertschätzung des beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Contents, der in den Mediatheken zu finden ist. Allerdings sehe er keinen Bedarf, damit den Kapitalmarkt, also die privatwirtschaftlichen Anbieter, zu stützen. Dem widersprach Martin Krapf und fragte zurück, warum öffentlich-rechtlich finanzierte Inhalte beispielsweise auf Amazon ausgestrahlt würden und keine anderen Kooperationsmöglichkeiten gefunden wurden. Mit Verweis auf die aktuellen Diskussionen um die BBC erklärte Krapf: „Es geht hier doch gar nicht um eine Subventionierung der Privaten, vielmehr zählt es zur Aufgabe der Öffentlich-Rechtlichen, zusätzliche Einnahmequellen seriös zu überdenken und die Gebührenfinanzierung langfristig zu rechtfertigen.“
Auch OMG-Geschäftsführer Klaus-Peter Schulz hält die Zeit des dualen Lagerdenkens für nicht mehr zeitgemäß: „Die Verschiebungen im Werbemarkt werden sich weiter fortsetzen, Jahr für Jahr, und die deutschen Anbieter vom zweistelligen Wachstum des Bewegtbildmarktes nicht partizipieren können. Wollen wir diesen Automatismus weiter hinnehmen oder pragmatisch gegensteuern?“ Sein Schlusswort: „Medienvielfalt muss auch finanzierbar sein, und wir sollten nun alle Möglichkeiten überprüfen, wie wir über die Refinanzierung durch Werbung hierfür mehr Geld generieren können.“