Mehr Kooperation in einem symbiotischen System

Duales Rundfunksystem außer Balance? Herausforderungen und Lösungen für die privaten Medienhäuser

Die Medienhäuser geraten immer stärker unter Druck: Die Werbeinnahmen sinken, die Marktmacht und der Wettbewerb durch die Big-Tech-Unternehmen steigen und darüber hinaus hat Journalismus seinen Preis. Wie können in diesem Umfeld die Finanzierung und Existenz der privaten Medienhäuser und insbesondere der Fernsehprogrammanbieter gesichert werden?

Schließlich stehen diese auch noch im Wettbewerb mit den öffentlich-rechtlichen Angeboten, die durch die Rundfunkbeiträge abgesichert sind. Für diese Probleme suchten Expert:innen aus Politik und Wirtschaft im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN nach Lösungen.

Die Lage sei wahrlich herausfordernd, erklärte Dr. Michael Müller, Chief Distribution Officer – Legal & Regulatory von ProSiebenSat.1 Media. Der Werbekuchen werde kleiner und auch von amerikanischen Unternehmen abgegriffen, es stünden Werbeverbote im Raum und darüber hinaus werde der privatwirtschaftliche Rundfunk durch Regulierung eingeschränkt. Vor diesem Hintergrund forderte Müller im dualen Rundfunksystem faire Wettbewerbsbedingungen für privatwirtschaftliche Anbieter. Sein Vorschlag: „Wir sollten mehr out of the Box denken. Warum probieren wir Dinge nicht einfach aus und nehmen beispielsweise ARD und ZDF einfach mal mit auf unsere Plattform Joyn?“, schlug Müller für die Joyn-Mediathek vor. Diskussionen wie diese müssten stärker und gefördert und geführt werden.

Für mehr Miteinander sprachen sich auch Dr. Florian Herrmann, Leiter der Bayerischen Staatskanzlei und Staatsminister für Bundesangelegenheiten und Medien, und Dr. Annette Schumacher, Geschäftsführerin der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), aus. Auf mittlere Sicht könne angesichts des Wettbewerbs durch die sogenannten Big Techs und sinkende Werbeerlöse die Vielfalt der Medien verloren gehen und das duale System sei gefährdet. „Kooperation ist also das Gebot der Stunde. Die Privaten und die Öffentlich-Rechtlichen haben bislang erfolgreich in einem sich ergänzenden System gelebt. In der Zukunft müssen wir mehr kooperieren“, sagte Herrmann. Seine Grundidee: „Weg vom Säulendenken im dualen System und hin zu einem symbiotischeren System zwischen Privaten und Öffentlich-Rechtlichen.“ Schumacher ergänzte: „Wir begrüßen Kooperationen in jeglicher Hinsicht, auch wir wollen den Standort und die Vielfalt schützen und mitgestalten.“

Wie eine solche Symbiose aussehen könnte, schilderte Markus Breitenecker, Geschäftsführer von der ProSiebenSat.1 PULS 4 und Joyn Österreich. Dort finden sich seit Mai dieses Jahres nicht nur private Sender und der öffentlich-rechtliche ORF vereint auf der Streamingplattform Joyn, sondern auch mehr als 15 Mediatheken der öffentlich-rechtlichen und privaten Anbieter. „Wir haben dieselbe Situation: Rezession und Wettbewerb durch die Giganten bringen das duale System in Bedrängnis“, diagnostizierte Breitenecker.
Mit dem ersten „Super-Streamer“ aus öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern gehe man weg von Konkurrenz hin zu mehr Kooperationen, resümierte der österreichische Joyn-Geschäftsführer. Das sei eine Win-Win-Situation für beide: Joyn werde von den Zuschauer:innen als Superstreamer wahrgenommen, und die Partner würden von steigenden Reichweiten profitieren. Dabei würden die Inhalte des ORF auf der Joyn-Plattform abgerufen, die digitale Reichweite aber dem ORF zugewiesen. Dies funktioniere sehr gut: Der ORF habe 15 Prozent mehr Reichweite und bleibe „Content-Owner“.