Zielgruppen im Visier: „Besser Mix als mono“

Zielgruppen-Marketing neu gedacht. Wie erreicht man Jung und Alt?

Marketer müssen heute mehr denn je Wirksamkeit und Reichweiten von Kampagnen abwägen und eine Fokussierung auf Zielgruppen von Menschen unter fünfzig Jahren scheint nicht mehr zeitgemäß.

Marketer müssen heute mehr denn je Wirksamkeit und Reichweiten von Kampagnen abwägen und eine Fokussierung auf Zielgruppen von Menschen unter fünfzig Jahren scheint nicht mehr zeitgemäß. Zu diesen Ergebnissen kamen Expert:innen bei einer Diskussionsrunde im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN.

„Ältere können keine Werbung für die Jungen, Jüngere keine Werbung für die Älteren“, sagte Jens Lönneker, Geschäftsführer der Marktforschungsagentur rheingold.salon. Er sehe eine gesellschaftliche Fokussierung auf das Jugendideal. Daraus ergebe sich ein verdeckter Generationenkonflikt: Jüngere versuchten sich über Klischees abzugrenzen, etwa über die Vorstellung, Ältere seien unflexibel, digital unfähig oder hilfsbedürftig. Eine Marketingstrategie, die diese Klischees reproduziere oder gar „auf jugendlich“ mache, erreiche weder junge Menschen noch könne sie die Potenziale nutzen, die die kaufkräftigen und qualitätsbewussten Älteren böten. Allein die Gruppe der 50- bis 69-Jährigen umfasst nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 23,7 Millionen Personen. Damit repräsentiere sie mehr als doppelt so viele Menschen (28,3 Prozent) wie die Gruppe der 14- bis 29-Jährigen (11,2 Prozent). Lönneker plädierte dafür, in der Vermarktung gemischte Teams zu bilden, die die unterschiedlichen Selbstbilder und Erfahrungshorizonte miteinander verbinden könnten.

Anke Drewicke, die bei dem Telekommunikationsanbieter Congstar die Bereiche Marketing und Vertrieb verantwortet, äußerte ihren Eindruck, dass die Markentreue unabhängig von bestimmten Altersgruppen wieder zunehme. Natürlich versuche Congstar junge Kund:innen zu gewinnen, die noch nicht an Verträge gebunden seien. Es sei aber genauso wichtig, langfristig bestehende Kundenbeziehungen zu pflegen. „Markentreue ist kein Selbstläufer“, sagte Anke Drewicke.

Mediaplaner und Vermarkter müssten regelrecht einen Spagat vollbringen, erklärte Dr. Andrea Malgara, Managing Partner der Mediaplus Group. Er warb für einen verhaltensbasierten Vermarktungsansatz: Viele Menschen verhielten sich heute – unabhängig von ihrem Alter – gleich und würden ähnliche Haltungen vertreten. Sie seien aber nicht über dieselben Kanäle erreichbar. Während Jüngere vorwiegend online unterwegs seien, dominiere bei den Älteren nach wie vor das lineare Fernsehen. Werber müssten beide Kanäle berücksichtigen: „Mix wirkt besser als mono.“

Auch Lars-Eric Mann, Chief Marketing Officer des Vermarktungsunternehmens Ad Alliance, und Tobias Hefele, Spezialist für Außenwerbung und CEO der Agentur Weischer.OOH, halten altersbasiertes Zielgruppenmarketing für überholt. „Ein 50-Jähriger kann dieselben Probleme wie eine Berufsanfängerin haben, wenn er sich einen neuen Job suchen muss“, argumentierte Mann. Beide Experten beschrieben das Dilemma, dass Werbestrategen heute die Leistungsfähigkeit teurer TV-Kampagnen gegenüber Onlinewerbung genau abwägen müssten. Werbekunden bezweifelten häufig die Leistungsfähigkeit klassischer TV-Werbung. Auf lineares Fernsehen zu verzichten, sei jedoch eine „Milchmädchenrechnung“, erklärte auch Anke Drewicke.

Alle Expert:innen auf dem Podium hoben die Kraft aussagekräftiger Geschichten hervor. Auch wenn globale Kampagnen wegen ihrer hohen Kosten seltener geworden seien, solle Werbung Menschen verbinden und nicht beliebige Klischees reproduzieren. Marketer sollten sich trauen, Ecken und Kanten zu zeigen. „Einfach machen“, forderte Thomas Hefele. Sein Beispiel: Die Kampagne „Daddy Cool“ von Mercedes, in der Antonio Banderas und seine Tochter Stella mit feinem Humor die Eigenheiten ihrer Generationen persiflierten.