„Wir müssen den eigenen USP stärken“

Future of Search: KI-Antwortmaschinen sind da, Medienhäuser müssen reagieren

Ein Jahr nach der ersten Debatte über die Zukunft der Online-Suche zeigte sich bei den MEDIENTAGEN MÜNCHEN: KI-Antwortmaschinen haben die Suchlogik im Internet grundlegend verändert. Googles AI Overviews und der neue KI-Modus verschieben den Traffic und zwingen Medienhäuser, ihre Strategien neu zu denken.

Die vom MedienNetzwerk Bayern Thinktank organisierte Panel-Diskussion zum aktuellen Thema „Future of Search“ drehte sich um die Frage, wie Publisher künftig Sichtbarkeit und Relevanz sichern können. Dabei wurde deutlich, dass Medienhäuser die Entwicklungen mit wachsender Sorge, aber auch mit strategischem Gestaltungswillen verfolgen.

Laut einer Studie des Analytics-Dienstleisters Authoritas vom Juni 2025 hätten Websites mit Top-Platzierungen bei Google bereits bis zu 79 Prozent ihres bisherigen Such-Traffics eingebüßt, berichtete Moderator Wolfgang Kerler, Chefredakteur und Co-Founder der Denkfabrik 1E9. Der neue KI-Modus von Google, der seit dem 15. Oktober verfügbar ist, sei eine „natürliche Weiterentwicklung der AI Overviews“, erklärte Jens Redmer, Principal New Products bei Google. Der Modus ermögliche mehrere parallele Suchanfragen im Hintergrund und eigne sich damit insbesondere für komplexe Fragestellungen.

Die Vertreter:innen der Medienhäuser bewerteten dies kritisch. Uli Köppen, Chief AI Officer des Bayerischen Rundfunks (BR), stellte fest: „Das Geschäft mit Google wurde mit der Einführung der KI-Tools aufgekündigt.“ Aus Sicht von Google sei die Entwicklung nachvollziehbar, aber für Medienhäuser dennoch problematisch. Dr. Richard Weber, Managing Director von BurdaForward, bestätigte deutliche Rückgänge, insbesondere bei Ratgeberthemen. „Fragen wie ‚Wie pflege ich meinen Rasen?‘ wurden früher auf Portalen wie CHIP.de beantwortet. Diese Reichweiten brechen nun weg.“ Etwas optimistischer bewertete Eric Kubitz, Head of AI beim Wort & Bild Verlag, die Lage: Die Quellenangaben neben den AI Overviews seien ein kluger Zug, der für zusätzliche Sichtbarkeit sorge. Dennoch beobachte auch er einen Rückgang von etwa zwanzig bis dreißig Prozent des organischen Traffics. Sollten AI Overviews oder der KI-Modus zum Standard werden, könne dieser Anteil jedoch deutlich steigen.

Kerler verwies auf eine Analyse des Wall Street Journal, wonach große US-Medien wie The Washington Post, Business Insider und HuffPost seit 2022 etwa die Hälfte ihres organischen Such-Traffics verloren hätten. Weber bestätigte, besonders betroffen seien sogenannte Evergreen-Inhalte wie Wissenschaft, Finanzen und Service – also Themen, auf denen viele Geschäftsmodelle, wie auch das von BurdaForward, aufbauten. Der Traffic bei News-Inhalten sei weitestgehend unangetastet.

Köppen betonte, dass der BR etwa sechzig Prozent seines Traffics über Suchmaschinen generiere. Neue KI-Funktionen erschwerten das Monitoring erheblich, und es neu aufzusetzen, verursache hohe Kosten: „Wir müssen künftig nachvollziehen können, wo unsere Inhalte auftauchen – und ob sie korrekt wiedergegeben werden.“ Redmer entgegnete, die Verteilung von Such-, Direkt- und Social-Traffic habe sich kaum verändert. Allerdings wachse die Zahl der Suchanfragen und das Volumen des nutzergenerierten Contents.

Ein Jahr nach den ersten juristischen Auseinandersetzungen mit OpenAI rücken nun Klagen gegen Google in den Fokus. Weber stellte fest: „Als Medienunternehmen habe ich heute die Wahl: Sichtbarkeit über Search und den KI-Modus – oder keine Sichtbarkeit.“ Redmer erwiderte, Publisher könnten das Crawlen ausschalten. Dann habe der KI-Modus keinen Zugriff auf Inhalte. Köppen forderte in diesem Zusammenhang mehr Transparenz und räumte ein, dass die Entscheidung für oder gegen Crawler immer auch Reichweitenverluste bedeute.

Als möglichen Ausweg präsentierte Moderator Kerler das Modell Really Simple Licensing (RSL). Über erweiterte Funktionen der robots.txt-Datei könnten Publisher künftig festlegen, unter welchen Bedingungen KI-Crawler Inhalte nutzen dürfen. Weber begrüßte den Ansatz eines klaren Regelwerks. Köppen bezeichnete das Modell als fair für die Urheber und hob hervor: „Wir müssen unseren eigenen USP stärken: Trusted Content.“ Beim BR entstünden derzeit gemeinsame „Trusted Content Pools“ auf Basis von Public-Value-Kriterien. Auch Kubitz sprach sich für gemeinsame Content-Pools aus, um journalistische Qualität zu bündeln.

Zum Abschluss richtete sich der Blick nach vorn: Jens Redmer berichtete, dass Google bereits eine Reihe von Tools für die Medienbranche und insbesondere für Redaktionen bereitstelle – etwa für Trendanalysen und Stimmungsbewertungen. Uli Köppen erklärte, dass sich der BR als Knowledge Service verstehe. „Das übersetzen wir ins KI-Zeitalter.“ Dieses Vorgehen beinhalte beispielsweise Personalisierungen und Schritte, um herauszufinden, wie die Menschen die Inhalte konsumieren wollen. Auch BurdaForward wolle sich in Richtung Personalisierung entwickeln, berichtete Weber. „Statt viel anonymen Traffic wollen wir hin zu mehr echten Verbindungen.“ Eric Kubitz plädierte dafür, journalistische Inhalte stärker dialogisch zu denken. „Wir müssen vom journalistischen Ross heruntersteigen und näher an die Nutzer:innen heranrücken.“ Künftig solle es weniger, aber dafür klarer strukturierte Artikel mit Informations-Chunks geben.

Auf die abschließende Frage, ob Publisher Inhalte künftig gezielt für KI optimieren sollten, reagierten die Teilnehmenden der Diskussion zurückhaltend. Laut Redmer geht es auch in Zukunft primär um „guten, relevanten Content“. Köppen stimmte zu: „Es geht um klares Schreiben und journalistisches Handwerk.“ Weber erklärte, BurdaForward optimiere derzeit nicht gezielt für KI, solange die Rankingfaktoren unklar seien. Ein „Jein“ gab es vom Vertreter des Wort & Bild Verlags: „Wir wollen weiterhin über Google gefunden werden. Wir wollen für SEO optimieren und gleichzeitig Teile vor Google verstecken.“

Neuer Deepdive:
Den neuen Deepdive des MedienNetzwerk Bayern Thinktank zum Thema „Future of Search – Vol. 2: Das Ende des Search Traffics durch KI-Suche und neue Strategien für die Medienbranche“ finden Sie hier zum kostenfreien Download:

Future of Search – Vol. 2