Warum wir die Wirklichkeit verzerrt wahrnehmen

From Chaos to Clarity – Transforming Perceptions in a Negativity-Driven World

Die Wahrnehmung der Welt wirkt oftmals viel zu negativ. Dabei spielen Medien eine zentrale Rolle. Empirische Daten aber weisen darauf hin, dass sich die Lebensumstände der Menschen weltweit verbessern. Das erläuterte Anna Rosling Rönnlund in einem Vortrag während der MEDIENTAGE MÜNCHEN.

Rosling Rönnlund hat 2005 gemeinsam mit Hans und Ola Rosling in Stockholm die Gapminder Foundation gegründet, die versucht, soziale, wirtschaftliche und ökologische Entwicklungen auf lokaler, nationaler und globaler Ebene statistisch zu erfassen. In einer Welt, die von Chaos und Negativität geprägt scheint, fühlen sich viele Menschen durch eine negative Wahrnehmung überfordert. Befragt vom Moderator und Journalist Richard Gutjahr, analysierte die Statistik-Expertin Anna Rosling Rönnlund die tiefe Diskrepanz zwischen den tatsächlichen, globalen Entwicklungen und den darüber vorherrschenden Meinungen. Unter dem deutschen Vortragsmotto „Vom Chaos zur Klarheit – Wahrnehmungswandel in einer von Negativität geprägten Welt“ stellte sie dabei die von ihr mitgegründete Non-Pro-fit-Organisation Gapminder Foundation vor.

Menschen schätzen die Welt falsch ein

Ob Klimawandel, Migrationsbewegungen, Kindersterblichkeit oder Entwicklung der Einkommen: An zahlreichen Beispielen zeigte Anna Rosling Rönnlund, dass Menschen in Umfragen weit an der Realität vorbei antworten. „People are very wrong, and they are systematically wrong“, urteilte die Sozialwissenschaftlerin. Dabei sieht nach Angaben der 49-jährigen Schwedin die Wirklichkeit zumeist völlig anders aus: Entsprechend von Daten der Weltbank und Vereinten Nationen (UN) verbessern sich viele Parameter weltweit. Aber warum schneiden dann die Befragten so schlecht ab bei der Einschätzung von Themen – während Künstliche Intelligenz die Weltlage überwiegend korrekt einzuschätzen scheint?

Laut Anna Rosling Rönnlund wird zum Beispiel die positive Entwicklung des Menschen unterschätzt, während der technologische Fortschritt überschätzt wird. Oftmals bestimmen demnach Stereotypen unsere Wahrnehmung. Auch die journalistische Zuspitzung auf Bad News trage zu einer verzerrten Wahrnehmung bei. Anna Rosling Rönnlund hat die Software Trendalyzer zusammen mit ihrem Ehemann Ola Rosling entwickelt und 2007 an Google verkauft. Das Tool stellt anhand spezieller Grafiken Entwicklungen plastisch und rein faktenorientiert dar. Rosling Rönnlund warnte vor einem zu großen Vertrauen in das oft falsche Bauchgefühl. „Always check it with data!“

Schrittweise faktenorientiertes Vorgehen

Auch wenn Probleme dringlich wirkten, sei es erfolgreicher, schrittweise faktenorientiert vorzugehen, empfahl Rosling Rönnlund. Dabei solle der Fokus auf den Aspekten liegen, die mehrheitlich auftreten. Wichtig sei es, Entwicklungen nicht automatisch in die Zukunft fortzuschreiben. Gegen Angst helfe, die Risiken zu kalkulieren. „Arbeiten Sie bei der Problemanalyse nicht mit einzelnen Instrumenten, sondern mit einem Werkzeugkasten.“
Von der Arbeit, die Anna Rosling Rönnlund und ihr Team leisten, profitieren inzwischen auch die Medien: In Kooperation mit der Washington Post befragt Gapminder Personen zu bestimmten Themen, über die dann journalistische Artikel erstellt werden. Diese Methode, so verriet die Datenexpertin, verdopple die Engagement-Raten der Online-User.