Polarisierte Kommunikation: Wie man den Diskurs rettet
Die Kunst des Miteinander-Redens. Eine kleine Schule der Demokratie
Desinformationskampagnen, ein schmutziger US-Wahlkampf, die Wiederkehr antisemitischer Gewalt, Verschwörungstheorien: Wie kann man in Zeiten der Polykrisen und polarisierter Kommunikationsräume respektvoll miteinander reden?
Diese Frage versuchte Dr. Bernhard Pörksen, Professor für Medienwissenschaft an der Universität Tübingen, im Gespräch mit Richard Gutjahr im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN zu beantworten.
„Es gibt keine Weltformel der Diskursrettung.“ Diese Hoffnung musste Bernhard Pörksen gleich zu Beginn seines Vortrags enttäuschen. Aber es gebe Prinzipien, um klare Diskurse zu führen, ohne sich gegenseitig abzuwerten. Er riet, die Türen nicht zu früh zuzuschlagen und nicht aufzugeben, nach Gemeinsamkeiten zu suchen. Dies werde immer wichtiger, je mehr wir in ein „Jahrhundert der Kommunikationskonflikte“ drifteten.
Pörksen definierte vier Prinzipien, die zum Gelingen des Miteinander-Redens beitragen könnten. Das erste Prinzip sei das der „wertschätzenden Kommunikation“, in dem der Andere nicht grundsätzlich abgewertet werde. Das zweite Prinzip sei das der „Perspektivenverschränkung“. Dabei werde versucht, erst einmal zu erfassen, wie der Gesprächspartner denkt. Nach dem „Prinzip der doppelten Passung“ ergebe sich eine stimmige Kommunikation, in der Personen ihr authentisches Handeln mit strategischem Vorgehen abwägen. Manchmal müssten Menschen jedoch auch „klare Kante“ zeigen und erkennen, dass ein Gespräch nicht möglich sei, sagte Pörksen. Das vierte Prinzip, das der „respektvollen Konfrontation“, erfordere, dass die andere Person trotz aller Konfrontation nicht verunglimpft oder beleidigt werde. Hier griff Bernhard Pörksen die Unterscheidung von Verstehen, Verständnis und Einverständnis des Kommunikationspsychologen Friedemann Schulz von Thun auf, mit dem Pörksen zusammen das Buch „Die Kunst des Miteinander-Redens“ veröffentlichte.
Als ein Zuhörer fragte, ob Friedensgespräche mit dem russischen Präsidenten Putin sinnvoll seien, zeigte sich Pörksen skeptisch. Der Medienwissenschaftler griff die Geschichte des Kiewer Gastronomen Misha Katsurin auf, den er bereits am Anfang seines Vortrags erwähnt hatte. Katsurin hatte sich nach Beginn des Ukrainekriegs gewundert, warum sich sein Vater, der in Russland lebte, nicht bei ihm meldete. Schließlich rief er ihn selbst an. Das Gespräch endete im Streit, weil ihm sein Vater nicht glaubte, dass die Ukraine tatsächlich angegriffen worden war. Katsurin setzte daraufhin die Website „Papa, believe me!“ auf, um der Kreml-Propaganda entgegenzuwirken. Im Gespräch mit Pörksen hatte Katsurin gesagt: „Nicht gleichgültig zu sein, das ist irgendwie das Wichtigste.“