Partnerschaft statt Wettbewerb

TV-Wachstum bis 2030

Streamer, Broadcaster, Telekommunikationsunternehmen und TV-Plattformen verfolgen unterschiedliche Strategien, um Konsument:innen zu gewinnen und zu halten sowie neue Erlöse zu erzielen. Doch wie ist organisches Wachstum in einem stark umkämpften Markt heute noch möglich?

Darüber haben Expert:innen während der MEDIENTAGE MÜNCHEN diskutiert.

„Size matters“, sagte Nicole Agudo Berbel, Geschäftsführerin der Seven.One Media und der Seven.One Entertainment Group. Nachdem der italienische Medienkonzern Media for Europe (MFE) die Kontrolle bei ProSiebenSat.1 in Unterföhring übernommen hat, ist das Unternehmen nun in fünf Regionen Europas vertreten und damit in der Lage, 210 Millionen Menschen zu erreichen. „Beim TV-Streaming ist Größe extrem relevant“, sagte die Expertin. Genauso wichtig sind aus ihrer Sicht aber auch lokale Inhalte. Nicht nur für die Programme der Gruppe, sondern auch für deren Streaming-Plattform Joyn seien Eigenproduktionen wie „The Voice of Germany“, „Germany’s Next Topmodel“ sowie „Promi Big Brother“ „entscheidende Assets“.

Eigenproduktionen sind ein Aspekt, der auch für Wolfgang Elsässer, CEO von CH Media TV, eine große Rolle spielt. Das familiengeführte Unternehmen, das in der deutschsprachigen Schweiz aktiv ist, bietet den eigenen Abo-Streaming-Dienst Oneplus an. „Schweizer Inhalte sind das Herz von Oneplus. Mit dem Fokus auf heimische Produktionen heben wir uns von der internationalen Konkurrenz ab“, berichtete Elsässer. Dreißig Eigenproduktionen stemmt das Unternehmen im Jahr, darunter auch die Schweiz-Version des „Bachelor“-Formates. „Unsere Ausgabe des Formats erzielt zwanzig Prozent Marktanteil und damit ein Vielfaches mehr als die deutsche Version“, erklärte der Manager. Elsässer setzt aber nicht nur auf lokale Inhalte. Seit diesem Jahr arbeitet Oneplus mit Paramount+ zusammen. „Dank der Kooperation bieten wir einen deutlichen Mehrwert“, sagte Elsässer.

Um das Thema Bundling kommt heute kaum ein Player mehr herum. „Wir haben im vierten Quartal 2024 das größte Wachstum seit unserem Start in Deutschland hingelegt“, sagte Rene Rummel-Mergeryan, Managing Director Business Development bei Netflix. Dieser Anstieg sei auch dem Bundling mit Magenta TV geschuldet, ergänzte Dorothea Jacob, Vice President Proposition & Content für MagentaTV bei der Deutschen Telekom AG. „Wir rücken damit an Zielgruppen heran, die sich sonst nicht für Netflix entschieden hätten“, räumte Rummel-Mergeryan ein. Magenta TV entwickelt sich nach und nach zu einem One-Stop-Shop und bündelt zahlreiche Streaming-Dienste auf einer Plattform. Hier sei es vor allem wichtig, den Usern die Möglichkeit zu geben, „alle Welten auf einer Plattform zu finden“, sagte die Telekom-Managerin Jacob, denn der Faktor Zeit werde immer essenzieller: „Es ist eine wesentliche Herausforderung der Zukunft, das zu meistern.“

Eine herausfordernde Zeit hat der Kabelnetzbetreiber Vodafone hinter sich. Nach dem Wegfall des sogenannten Nebenkostenprivilegs musste sich das Unternehmen um Einzelverträge mit den betroffenen Haushalten kümmern. Seit Juli 2024 dürfen Vermieter die Kosten für den Kabelanschluss nicht mehr über die Nebenkostenabrechnung auf alle Mieter:innen umlegen. Um weiterhin Kabelfernsehen zu nutzen, müssen Mieter:innen seitdem einen eigenen Einzelvertrag direkt mit einem Kabelanbieter abschließen.
„Wir durften sehr viele Kund:innen zurückgewinnen“, sagte Maren Pommnitz, Director Home Connectivity & Entertainment bei Vodafone Deutschland. Der klassische Kabelanschluss ist ihrer Meinung nach nicht zu unterschätzen und wird auf absehbare Zeit noch eine wichtige Rolle spielen, um die Inhalte der Streaming- und TV-Anbieter in die Haushalte zu bringen.

In der von Christian Heinkele, Founder und Host des Podcasts TV-Helden, moderierten Diskussionsrunde wurde auch die Frage gestellt, wo die Expert:innen noch Wachstumspotenzial sehen. Um neue Zielgruppen zu finden und zu halten, wird Netflix beispielsweise 2026 mit TF1 in Frankreich zusammenarbeiten und damit den Abonnent:innen Zugang zu linearen Programmangeboten ermöglichen. „Diese Partnerschaft mit einem Broadcaster ist einmalig“, unterstrich der Netflix-Manager. „Wir ergänzen uns inhaltlich sehr gut und sind damit keine Konkurrenten, sondern Kooperationspartner.“

Magenta TV setzt für weiteres Wachstum auch stark auf den Einkauf von Sportlizenzen. So hat sich die Telekom die Rechte für alle Spiele der Fußball-EM 2028 von ARD und ZDF gesichert. Gleichzeitig haben ARD und ZDF Sublizenzen für die Fußball-WM 2026 von der Telekom erworben. „Sport ist unser Herzblut. Schon die Basketball-EM 2025 hat uns auf Social Media sehr viel Zuneigung der Fans gebracht. Diese Sportlizenzen helfen uns, als mehr als nur als technische Plattform wahrgenommen zu werden“, erläuterte Jacob.

Auch in Unterföhring sieht man Wachstumspotenzial. „Viele Haushalte haben noch kein Pay-Abo, außerdem sind die Möglichkeiten im Werbemarkt noch nicht ausgeschöpft“, sagte Joyn-Chefin Agudo Berbel. Netflix-Manager Rummel-Mergeryan schätzt das Potenzial in diesen beiden Bereichen ebenfalls als noch nicht ausgeschöpft ein. Ein Wachstumsfeld sieht Vodafone-Managerin Pommnitz vor allem im Bereich Premium TV und hier speziell bei den jüngeren Zielgruppen, da diese stärker digital unterwegs seien. Ein vergleichsweise kleines Medienhaus wie CH Media TV müsse, um weiter zu wachsen, „auf Kreativität und Unternehmertum“ setzen, argumentierte Elsässer. Sein zentrales Anliegen: „Wir suchen die Partnerschaft, nicht den Wettbewerb.“