
Mit KI-Suchmaschinen beginnt eine neue Ära
Future of Search: Wie KI die Internetsuche verändert und was das für Medienhäuser bedeutet
Künstliche Intelligenz (KI) stellt die Google-Suche, wie wir sie seit Jahrzehnten kennen, in Frage. Startups wie Perplexity oder phind treten mit Hilfe von KI Antworten gegen die Dominanz des Digitalriesen Google bei der Web-Suche an. Sie bringen damit aber digitale Geschäftsmodelle von Medienhäusern ins Wanken, die meist auf großen Online-Reichweiten basieren, die Googles Suchergebnisse bisher garantieren. Die Reaktionen auf diese Veränderungen fallen bei Expert:innen aus Rundfunk, Publishing und der Startup-Szene recht unterschiedlich aus: Das ist bei den MEDIENTAGEN MÜNCHEN deutlich geworden. Eine vom MedienNetzwerk Bayern Thinktank initiierte Diskussionsrunde ergab, dass es gute Handlungsoptionen für Medienhäuser gibt, um digitale Geschäftsmodelle auf die KI-gesteuerte Internetsuche abzustimmen.
Muss die Medienbranche bangen, dass der Traffic von Suchmaschinen wegbrechen wird, weil User dank KI-Suche alle Antworten in gut formulierten Texten bekommen? Das sei die Frage, die über allem schwebe, berichtete Wolfgang Kerler, der den Thinktank inhaltlich betreut und Mitglied der Debatten-Community 1E9 ist. Sarah Stein, Head of Search Experience beim SWR, konnte diese Befürchtung relativieren. Die größte Traffic-Quelle für das gesamte SWR-Webangebot sei mit etwas sechzig Prozent nach wie vor die klassische Google-Suche. 50 Prozent dieser Kontakte wiederum stammten mittlerweile von Google Discover. Dieses Angebot ist der Teil der Google Suche, in dem Nutzer:innen auf Grundlage ihrer Web- & App-Aktivitäten Inhalte angezeigt werden, die ihren Interessen entsprechen könnten. Ole Reißmann, Director AI in der SPIEGEL-Gruppe, unterstützte diese Einschätzung: „Es hilft nicht, in Panik zu verfallen. KI-Suchmaschinen sind auf die Inhalte der Medienhäuser angewiesen.” Sinnvoller sei es, Partnerschaften und Kooperationen einzugehen.
„Google hat noch immer wahnsinnig viel Power”, beruhigte Marcus Tandler, Mitgründer und Chief Evangelist des SEO-Startups Ryte. Die Zahl der Suchanfragen bei KI-Suchmaschinen sei im Vergleich noch immer verschwindend gering, der Marktanteil von Bing seit der KI-Integration nur um einen Prozentpunkt gewachsen. Gefährlich werde es für Google erst, wenn die Menschen nicht mehr auf Links klicken würden. Dann würde ein Geschäftsmodell torpediert werden, dass in den vergangenen Jahren eine Monopolstellung hatte. „Google bekommt massiv Konkurrenz“, räumte Stein ein. Beim Thema „Future of Search“ gehe es schließlich auch um Fragen der algorithmisch gesteuerten Suche in sozialen Online-Netzwerken, wie sie heute schon auf Instagram zu finden sei.
Auf die Frage, ob Medienunternehmen ihre Inhalte KI-Suchmaschinen zur Verfügung stellen sollten oder nicht, erntete Moderator Kerler ein geteiltes Echo. Auch wenn die Apotheken Umschau derzeit die Crawler von KI-Suchmaschinen ausschließe, sagte Dr. Dennis Ballwieser vom Wort & Bild Verlag, sei es das langfristige Ziel des Verlags, sinnvolle Kooperationen mit Tech-Unternehmen einzugehen. Die im September 2024 bekannt gegebene Partnerschaft mit You.com sei ein erster Schritt in diese Richtung.
Bei der öffentlich-rechtlichen ARD würden Crawler von KI-Suchmaschinen bereits „reingelassen”, berichtete die SWR-Verantwortliche Sarah Stein. Das sei fair, denn die Menschen bezahlten für die Inhalte und da habe der einfache Zugang oberste Priorität. „Wir müssen aber schauen, dass wir uns von den großen Tech-Unternehmen unabhängiger machen”, appellierte sie. Communities seien in diesem Zusammenhang ein wichtiges Thema. KI könne dafür ein wichtiger Hebel sein.
„Was haben Medienunternehmen davon, wenn wir Crawler reinlassen? Sind Tech-Unternehmen bereit, sich auszutauschen? Und wo sind die Grenzen?”, warf dagegen Reißmann ein. Der Spiegel arbeite seit Ende Juli 2024 mit Perplexity zusammen. Dabei geht es nach Angaben des AI Director um eine fokussierte Partnerschaft für die Suche und nicht darum, alle Inhalte des Medienhauses in das Training der KI-Suchmaschine einfließen zu lassen. Paid Content sei derzeit davon ausgenommen. Tandler resümierte, dass Unternehmen wie Reddit, die über einen einzigartigen Datenschatz verfügen, derzeit gut daran täten, ihre Inhalte zu „gatekeepen”. Startups hingegen seien in einer anderen Position: Die Partnerschaft mit einer KI-Suchmaschine könne ihnen mehr Sichtbarkeit verschaffen.
Der Tenor der Diskussionsrunde im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN spiegelte sich in Reißmanns Aussage wider: „Es wird alles noch viel spannender werden.“ Denn derzeit befänden wir uns in einer Übergangsphase. Sollten Medienunternehmen alarmiert sein? Bei einer Bewertung mit einer Skala von eins bis zehn zeigten sich Stein und Reißmann mit einem Wert von vier eher gelassen. Ballwieser (sieben) und Tandler (elf) positionierten sich hingegen alarmierter in Bezug auf die Veränderung der Internetsuche. Für Medienunternehmen sei es in jedem Fall wichtig, sich frühzeitig mit den aktuellen Entwicklungen auseinanderzusetzen.
Mehr Informationen zum MedienNetzwerk Bayern Thinktank sowie kostenfreie Deepdives zum Download rund um die Themen KI und Web3 sind HIER zu finden.