
Medien profitieren von diverserem Nachwuchs
Mehr Arbeiterkinder in den Medien. Für Perspektivenvielfalt, gegen Fachkräftemangel
Wer auch in Zukunft bestehen will, muss auf Vielfalt setzen. In der deutschen Medienlandschaft scheint das inzwischen angekommen – doch beim Thema Diversität haben viele Medienhäuser Nachholbedarf. Um neue Geschichten und Sichtweisen zu finden, werden Menschen mit offenem Blick benötigt, die diverse gesellschaftliche Gruppen repräsentieren. Gerade Nachwuchs aus der Arbeiterschicht kann entscheidende Impulse setzen und die Berichterstattung maßgeblich verändern. Es gibt vielversprechende Ansätze im Recruiting und in der Ausbildung, um mehr Arbeiterkinder in Medienhäuser zu holen. So lauten zentrale Ergebnisse einer Expert:innen-Runde von MedienNetzwerk Bayern und den beiden Initiativen Start Into Media und sowie XPLR: MEDIA in Bavaria im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN.
Einen Impulsvortrag hielten Lukas Schöne, Journalismus-Experte beim MedienNetzwerk Bayern, und Franziska Mozart, freie Journalistin. Sie hat nach diversen Workshops zum Thema zusammen mit den Medien.Bayern-Initiativen einen Ratgeber erarbeitet, der aufzeigt, welche Vorteile sich für Medienhäuser bieten, wenn sie Arbeiterkinder beschäftigen: Zusätzlich zu frischen Perspektiven für journalistische Produkte, die neue Zielgruppen ansprechen können, wird das Engagement für mehr Vielfalt belohnt mit großer Loyalität, die die neuen Mitarbeitenden mitbringen. Der entsprechende Umbau des Recruitings hilft dabei, den Fachkräftemangel in Medienhäusern zu bekämpfen.
Diversität auch im Management etablieren
Es gibt aber auch Herausforderungen, die bei der MEDIENTAGE-MÜNCHEN-Session mit dem Titel „Mehr Arbeiterkinder in den Medien“ nicht verschwiegen wurden: Es gelte, Diversität zunächst einmal auch im Management zu etablieren, den Einstellungsprozess zu verändern und spezielle Mentoring-Programme aufzusetzen. Für diversere Teams sollten „Safe Spaces“ bereitgestellt werden. Außerdem müsse die Bezahlung angemessen sein, um neue Mitarbeitende anzuregen, ihre eigenen gesellschaftlichen Grenzen zu überwinden, denn „unbezahlte Praktika sind nach wie vor ein Killerkriterium für Arbeiterkinder”, den Weg in die Medien überhaupt einzuschlagen, berichtete Franziska Mozart.
Laut der Langzeitstudie Medienvertrauen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz fühlt sich ein Großteil der deutschen Bevölkerung mit ihren Themen in den Medien kaum bis gar nicht ernst genommen und repräsentiert. Dabei sei das Thema Diversität „nicht nur für den Journalismus wichtig, sondern grundlegend für unsere Demokratie, die dringend verschiedene Perspektiven und Stimmen braucht”, argumentierte Katarzyna Karpinska, Projektleiterin bei der Deutschen Journalistenschule in München. Mit dem bundesweiten Projekt „Du kannst Journalismus” versucht sie gemeinsam mit Kooperationspartnern Menschen mit diversen Perspektiven in Form von Workshops zu erreichen und ihnen Mut zu machen, neue berufliche Wege zu gehen, um die Vielfalt in den Medien zu stärken. Die Bewerbung für die Workshops, die vor allem auch durch Alumni, welche den Weg in die Medien bereits beschritten haben, begleitet wurden, war möglichst niedrigschwellig – beispielsweise via Sprachnachricht.
Diverse Talente auf Augenhöhe in den Redaktionen etablieren
Dass junge Menschen vor allem Role Models brauchen, die Vorbilder sind, betonte Laura Bohné, die das PULS Talente Programm des Bayerischen Rundfunks leitet. Ihrer Erfahrung nach funktioniert es am besten, neue Leute zu bekommen, wenn man sagen könne: „Wir sind hier bereits offen, es gibt hier Menschen, die es schon geschafft haben, du bist hier nicht allein und kannst das auch.“ Im zweiten Schritt sei es dann aber auch wichtig, sich zu „committen“ und die diversen Talente nachhaltig als Kolleg:innen auf Augenhöhe in den Redaktionen zu etablieren. Beim Bayerischen Rundfunk gelinge das immer besser und wirke sich nicht nur positiv auf die Qualität des Contents aus, sondern auch auf die Zusammenarbeit in den Teams und auf die gesamte Unternehmenskultur. Das Talente Plus Programm bringe dem Bayerischen Rundfunk sehr viel, es mache das Medienhaus vor allem glaubwürdiger und schaffe Repräsentanz, schloss Bohné ihre Ausführungen.
Nicht für alle Menschen ist der Zugang zur Medienbranche gleich, die Tür scheint für Arbeiterkinder leider meist geschlossen, darüber waren sich die Teilnehmenden der Diskussion einig. Das kostenlose Nachschlagewerk „Zugang erleichtern: Ein Ratgeber zur Förderung von Arbeiterkindern in den Medien“ von MedienNetzwerk Bayern, Start into Media und XPLR: Media in Bavaria soll Anstoß und Hilfestellung dafür sein, genau diese Tür zu öffnen. Er fasst die Ergebnisse zweier Round-Table-Veranstaltungen zusammen, die im Mai und September 2024 veranstaltet wurden. Dabei ging es um die besonderen Herausforderungen, die Arbeiterkinder haben, wenn sie Medienberufe ergreifen wollen, aber auch um die Perspektive der Medienunternehmen: Wie kann es ihnen gelingen, mehr Arbeiterkinder zu beschäftigen und wie profitieren sie davon?
Die 16-seitige Broschüre Zugang erleichtern: Ein Ratgeber zur Förderung von Arbeiterkindern in den Medien steht HIER zum Download bereit.