
Korrespondentin zwischen allen Stühlen
Was wissen wir wirklich? Realitäten und Wahrheitssuche in Krisengebieten
Berichterstattung aus Nahost ist schon immer eine besondere Herausforderung für deutsche Medienvertreter:innen gewesen. Seit dem Hamas-Überfall auf Israel und den darauf folgenden israelischen Zerstörungen im Gaza-Streifen ist die Situation für Journalist:innen noch schwieriger geworden.
Das hat die ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann während der MEDIENTAGE MÜNCHEN im Gespräch mit Richard Gutjahr berichtet.
Von israelischer Seite werde sie beispielsweise immer wieder gefragt, auf welcher Seite sie stehe. Wenn sie dann erkläre, dass es nicht ihre Aufgabe als Journalistin sei, auf einer Seite zu stehen, werde das nicht unbedingt akzeptiert. Man denke in Freund- und Feind-Kategorien. Palästinenser wiederum weigerten sich häufig, überhaupt mit deutschen Medien zu sprechen, weil sie diese als proisraelisch wahrnehmen würden. „Warum müssen wir jetzt ausbaden, was ihr damals gemacht habt?“, würde sie immer wieder in Bezug auf den Holocaust gefragt.
Spagat zwischen professioneller Distanz und Empathie für alle Menschen
Die besondere Herausforderung in ihrer Arbeit bestehe zurzeit darin, professionelle Distanz zu wahren und trotzdem empathisch auf alle Menschen in der Krisen- und Kriegsregion zu schauen. Soziale Online-Netzwerke seien in diesem Zusammenhang Fluch und Segen zugleich. Zum einen erhalte man via Social Media Informationen aus dem Gaza-Streifen, in den internationale Journalist:innen keinen Zutritt haben, was von der Tann als „massive Einschränkung der Pressefreiheit“ verurteilte. Zum anderen werde versucht, Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen und Journalist:innen einzuschüchtern. „Manchmal gucke ich nicht mehr in Twitter“, sagte von der Tann.
Befragt nach ihrem Arbeitsalltag, schilderte die Korrespondentin, immerhin habe sie in Tel Aviv, wo das ARD-Büro angesiedelt ist, bei Raketenalarm rund eine Minute Zeit, sich in Sicherheit zu bringen. Dramatischer sehe es näher an den Grenzen aus, und am härtesten im Gaza-Streifen selbst, wo die palästinensischen Mitarbeiter der ARD vollkommen ohne Schutz jeden Tag ihr Leben riskierten.
Frieden stehe überhaupt nicht mehr zur Debatte, berichtete von der Tann über die Stimmung in Israel. Wenn die Lage weiter eskaliere und keine Flüge mehr möglich seien, könne das ARD-Team via Jordanien oder Ägypten über den Landweg ausreisen.
Was sie deutschen Medien und dem deutschen Publikum derzeit raten würde, fragte Moderator Richard Gutjahr. Sophie von der Tann antwortete: „Zuhören und nicht zu schnell urteilen.“