KI in Verlagen: „Am Schluss steht immer ein Mensch“

Künstliche Intelligenz: Freund oder Feind der Verlagsbranche?

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmen verspricht mehr Chancen als Risiken. Während Verlage die technischen Herausforderungen in der Regel gut bewältigen, sollten die Aufgaben im Rahmen des Qualitäts- und Trust-Managements nicht unterschätzt und möglichst früh gelöst werden. Das betreffe beispielsweise die Identifikation und das Aussortieren von Fake News sowie Fragen der Glaubwürdigkeit von KI-Medieninhalten. So lautet das Fazit einer Expert:innenrunde der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN, die von Katja Modder, Partner, Head of Technology, Media & Telecommunications (TMT) der KMPG, moderiert wurde.

KI-Tools in der gesamten Wertschöpfungskette

Obwohl sowohl Mitarbeitende in Verlagen als auch Nutzer:innen von Medieninhalten teilweise Vorbehalte gegenüber KI zeigen, ist die Haltung in den Verlagen grundsätzlich optimistisch. KI-Tools werden, so zeigte die Expert:innen-Diskussion, in der gesamten Wertschöpfungskette eingesetzt. Dabei gibt es je nach Unternehmensstruktur unterschiedliche Schwerpunkte. Das Unternehmen Heise Medien etwa beschäftigt sich aufgrund seines redaktionellen Schwerpunkts (u.a. c’t, iX, Telepolis) unter anderem in „heise online“ schon länger mit dem Thema KI. Dennoch spüre das Unternehmen, so erklärte Beate Gerold, Geschäftsführerin von Heise Medien, ebenso wie andere in der Branche Druck aufgrund der rasanten technologischen Entwicklung: „Geschäftsmodelle fallen nicht vom Himmel.“ Heise Medien experimentiere stark, etwa mit einem KI-Fachdienst. Das Unternehmen hat sich an dem Start-up deep content beteiligt, das Firmen dabei unterstützt, generative KI im Redaktionsalltag zu integrieren (z. B. im Aufbau von Prompts und Prompt-Bibliotheken).

Wie die Heise Gruppe bindet auch die Mediengruppe Oberfranken (mgo) KI-Tools in allen Unternehmensbereichen ein. Der Fokus liege dabei jedoch nicht auf der Technologie selbst, sondern in der Anwendung von KI, erläuterte Geschäftsführerin Eva-Maria Bauch. Da die mgo sich unter anderem stark in der Lokalberichterstattung und in Fachmedien aus dem Medizinbereich engagiere, spiele KI eine große Rolle im Qualitäts- und Trust-Manage-ment des Unternehmens. Sowohl Heise Medien als auch die Mediengruppe Oberfranken wollen nicht auf eine Schlussredaktion durch Menschen verzichten. „Am Ende schaut immer ein Mensch darüber“, versicherte Bauch. KI eigne sich, so betonten beide Expertinnen, vor allem für standardisierte und einfache Inhalte, zum Beispiel Wetternachrichten oder Nachrichtenticker.

Neue Berufsprofile durch KI

Nach Ansicht von Professor Dr. Thomas Hess vom Institut für Digitales Management und Neue Medien der LMU München betrifft KI vor allem drei Transformationsbereiche: die Software-Entwicklung, die Unterstützung von Arbeitsprozessen und organisatorische Entscheidungen darüber, welche Kapazitäten Unternehmen künftig vorhalten sollten. Alle Expert:innen unterstrichen, dass Personalabbau zugunsten von KI in Verlagen nicht im Fokus stehe. Stattdessen entwickelten sich zusätzlich neue Berufsprofile, die Kenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit KI voraussetzen. Die steigende Bedeutung dieser Skills fordere jedoch von den Mitarbeitenden, dass sie sich weiterbilden und offen an technologische Neuerungen herangehen müssten.

Sowohl Heise Medien als auch die mgo fördern die Handlungskompetenz ihrer Mitarbeitenden mit vielfältigen Maßnahmen: Das reiche von der Thematisierung von KI in der täglichen Kommunikation bis hin zu KI-Wochen und einem Themenfrühstück bei Heise Medien oder von der Implementierung eines Leiters KI-Initiative bis zu einem medienpädagogischen Schulprojekt in der mgo. Thomas Hess ergänzte in diesem Zusammenhang, dass klassische Vermittlungsformate wie Frontalunterricht auch in der KI-Universitätsausbildung eher schlecht funktionieren würden. Oft werde zugunsten des Umgangs mit KI der technische Aufbau von Tools und die Produktentwicklung vernachlässigt. Doch technische Grundkenntnisse, die gut in Gruppenprojekten trainiert werden könnten, seien ein wichtiger Baustein, um Handlungskompetenz auch in der Anwendung von KI aufzubauen.

Einig waren sich die Expert:innen, dass die Transformation in eine KI-gestützte Organisation gut geordnet von der Unternehmensleitung begleitet werden müsse. Die vielfältigen experimentellen mgo-Projekte möchte Eva-Maria Bauch entsprechend im kommenden Jahr noch stärker strukturieren. Sorgen bereitet den beiden Verlagsvertreterinnen, dass von KI produzierte Falschnachrichten und Deep Fakes immer schwerer zu erkennen sind. Sie betonten die steigende Bedeutung von Qualitätsjournalismus, ebenso von Medienkompetenz, die am besten schon im Kindergartenalter trainiert werden müsse.

Mehr Chancen als Risiken

Insgesamt sahen die drei Expert:innen mehr Chancen als Risiken von KI. Die technische Umsetzung von KI-Modellen stelle keine Hürde dar. Sowohl Eva-Maria Bauch als auch Beate Gerold erwarteten, dass die Kooperation von Mensch und Maschine an Dynamik gewinne und neue Berufsprofile entstehen würden. Der Mangel an Fachkräften und das Vertrauen in Medienmarken seien „Schlüsselprobleme“ für die weitere Transformation. Thomas Hess betonte in diesem Zusammenhang die Abhängigkeit von großen Technolo-gieunternehmen wie Google. Diese Probleme könnten die Verlage nicht alleine lösen, sag-ten Beate Gerold und Eva-Maria Bauch und forderten „Unterstützung aus der Politik“.