Journalismus muss einen Preis haben

Netzwerke, Kooperationen oder Abos – Was braucht digitales Publishing heute?

Frei zugänglich oder als Paid Content? Während der MEDIENTAGE MÜNCHEN haben Medienanbieter kontrovers über die Voraussetzungen für Journalismus im digitalen Publishing diskutiert.

Zunächst berichtete Dr. Gregor Peter Schmitz, Vorsitzender der Chefredaktion beim Stern, über den Relaunch des Bezahlangebotes Stern plus. Man steige damit spät in den Wettbewerb der Bezahlinhalte für redaktionelle Beiträge ein. Schmitz zeigte sich jedoch überzeugt davon, dass es einen Markt für kostenpflichtige Abonnements hochwertiger Inhalte gebe. Sein Verlag könne sich bei digitalen Abos nicht mit den Titeln Der Spiegel oder Die Zeit messen. Man strebe bis Ende 2026 dennoch mindestens 100.000 neue Leser:innen an, die für journalistische Inhalte bezahlen wollen. Er setze dabei auf einen Mehrwert aus sorgfältig recherchierten und exklusiven Inhalten und dem Zusatznutzen, den die Abonnent:innen über den gleichzeitigen Zugang zu den Magazinen Geo und Capital bekommen würden. „Unsere Investition in Höhe von dreißig Millionen Euro in den Aufbau von Stern plus wird sich auszahlen – da bin ich sehr optimistisch“, sagte Schmitz.

Steffen Klusmann, Editorial Advisor von Web.de/GMX, erklärte, dass ehemals reine Mail-Plattformen wie web.de oder GMX heute ihre Reichweite verstärkt dazu nutzen, um eine solide Grundversorgung der Bürger:innen mit Nachrichten anzubieten. Es gehe dabei vor allem darum, möglichst viele Menschen zu erreichen. In der Regel verzichte man aus diesem Grund auch auf eine Paywall, sondern monetarisiere das Angebot aus dem Anzeigengeschäft. Einem sehr großen Teil der Bevölkerung genüge diese Form der weniger tiefgehenden Berichterstattung. „Wenn unsere User jeden Tag wieder auf die Plattform gehen, um die wichtigsten Schlagzeilen zu lesen, und hin und wieder ein gutes Interview bekommen, sind sie zufrieden und fühlen sich gut informiert. Unser Rezept heißt weiterhin: Reichweite generieren. Wir wollen und können keinen investigativen Journalismus à la Spiegel“, erläuterte Klusmann.

Nina Graf, Co-Geschäftsführerin der Schweizer We.Publish Foundation, erklärte, dass ihr Angebot darauf zurückgehe, dass sich die großen Verlage in der Schweiz fast vollständig aus der Fläche zurückgezogen haben. Darunter leide der lokale Journalismus. Ihre Stiftung arbeite als Open-Space-Plattform daran, eine gemeinsame Infrastruktur für unabhängige, redaktionell und unternehmerisch eigenständige Medien zu schaffen. We.Publish fungiere dabei als Toolbox und Plattform, auf der redaktionelle Inhalte aus den ländlichen Regionen ausgetauscht und weiterverbreitet werden. Ziel sei, Nutzer:innen im ganzen Land anzusprechen und dabei dem Lokaljournalismus die Funktion eines Demokratiestifters zuzuweisen. Mittelfristig sollen bis zu dreißig einzelne Medien in den Verbund eingegliedert werden. „Wir wollen ein Medien-Öko-System schaffen, das ein Gegengewicht zu den großen Verlagshäusern schafft. Wir sind dabei aufgeschlossen für Kontakte nach Deutschland, denn auch dort finden wir eine starke Medienkonzentration, unter der insbesondere der Lokaljournalismus leidet“, sagte Graf.

Braucht eine demokratische Gesellschaft, die derzeit massiv unter Druck steht, aber nicht vielleicht hochwertige und gänzlich kostenfreie journalistische Inhalte? Klusmann und Schmitz sprachen sich beide dafür aus, dass Journalismus sich grundsätzlich selbst finanzieren müsse. Insofern seien Abos, Werbeeinnahmen oder bezahlte Einzelartikel alternativlos. Ergänzend könne man natürlich über Stiftungsmodelle für Nischenmärkte nachdenken. Im Übrigen zeigten sich beide davon überzeugt, dass es nicht Aufgabe der Medien sei, die Demokratie zu retten.