„Haltung beginnt, wenn Gegenwind da ist“

Purpose, Performance, Zuversicht

Werbung ist nicht neutral, so lautet das zentrale Ergebnis einer Diskussionsrunde im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN über die Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung von Marken und Marketing.

Dabei ging es um Marken und Moral und um das so genannte Purpose Marketing, also die Ausrichtung der Kommunikation einer Marke an einem übergeordneten Ziel, das über reine Gewinnorientierung hinausgeht und sich an gesellschaftlichen Werten wie Nachhaltigkeit oder Gerechtigkeit orientiert.

Norman Wagner, einer der Mitinitiatoren der Initiative 18, die dazu beitragen will, eine faire Medienlandschaft zu fördern, zeigte in seinem Impulsvortrag, warum Media-Entscheidungen gleichzeitig Entscheidungen für oder gegen Medienvielfalt sein können. Die Initiative 18 verfolgt das Ziel, eine vielfältige, freie und nachhaltige Medienlandschaft als 18. Ziel der Sustainable Developement Goals (DSGs) der Vereinten Nationen zu verankern. Siebzig Prozent der Werbegelder würden in Plattformen investiert, die nicht die Medienvielfalt förderten, schätzte Wagner. Er nahm insbesondere die Mediaplanung in die Verantwortung: „Wir sollten nicht nur über Purpose-Kampagnen sprechen, sondern auch über Purpose Budgets.“

In einem zweiten Impulsvortrag stellte Tanja Seiter, Director Media Research bei Hubert Burda Media, die Sicht der Konsument:innen dar. Auf Basis der Best4Planning-Studie zeigte sie, dass sich die Dauerkrisen auf die Werte der Konsument:innen auswirkten und gleichzeitig die Leichtigkeit und der Genuss im Konsum zurückgingen. „Haltung ist nach wie vor wichtig, aber selbst in Aktion treten wollen Konsument:innen oft nicht“, urteilte Tanja Seiter. Beim Thema Nachhaltigkeit verschob sich laut der Studie die Haltung in den vergangenen Jahren von Handlungen, die Aufwand bedeuten, etwa Produkte ohne Plastikverpackung zu kaufen, zu Konsumentscheidungen, die mit einem nachhaltigen Lifestyle zusammenhängen.

Auch in der Diskussionsrunde nach den beiden Impulsvorträgen zeigte sich, dass Haltung und Handlung nicht immer übereinstimmten. „Wir haben es hier mit einer Bigotterie zu tun“, sagte Stefan Mölling. Der Geschäftsführer des Audio-Vermarkters RMS kritisierte, Marketingverantwortung werde oft nicht übernommen, doch „Haltung beginnt erst, wenn Gegenwind da ist“. Marketing-Entscheider:innen würden zwar bestätigen, dass es wichtig sei, Medienvielfalt zu unterstützen, doch die Werbebudgets flössen dennoch überwiegend zu den großen Tech-Plattformen. Dem stimmte Marielle Wilsdorf zu. Sie ist Managing Director und Partnerin bei der Agentur Scholz & Friends und forderte: „Haltung darf kein Schnee von gestern sein.“ Ähnlich wie beim Klima gebe es auch bei der Medienvielfallt Kippunkte, befürchtete Norman Wagner. „Wenn sie einmal überschritten sind, lassen sie sich nicht so einfach wieder zurückdrehen.“

Dass es auch anders gehen kann, zeigte Manfred Meindl, Head of Marketing des Outdoor-Herstellers Vaude Sport. Vaude schalte keine Werbung mehr auf Meta-Plattformen und überprüfe die Umfelder genau, in denen das Unternehmen wirbt. Außerdem thematisiere Vaude in der Kommunikation immer wieder die ökologische Nachhaltigkeit. Allerdings schränkte Meindl ein, dass Haltung nicht aus der Kommunikation heraus betrieben werden sollte. „Das ist ein unternehmenszentrales Thema, das in der DNA integriert sein sollte.“