
Europäische Pressefreiheit: Weg mit Hindernissen
Medienrecht aus Brüssel. Was bleibt für das nationale Recht?
Die Zukunft des European Media Freedom Act (EMFA) ist ungewiss. Ungarn klagt aktuell vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg gegen die Umsetzung des EMFA, so dass nicht absehbar ist, in welchem Umfang die Verordnung bestehen bleibt. Doch bleibt die Frage relevant, in welchem Ausmaß das Medienrecht aus Brüssel Entfaltungsmöglichkeiten für nationales Recht lässt und inwiefern der EMFA die Medienfreiheit sinnvoll schützen kann. Dies wurde auf der Veranstaltung im Rahmen des Europatags während der MEDIENTAGE MÜNCHEN diskutiert. Eingeladen hatten das Institut für Europäisches Medienrecht (EMR) und die Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM).
15 EU-Staaten mit mindestens eingeschränkter Meinungs- und Pressefreiheit
Die Klage Ungarns sei eine Bestätigung dafür, mit welchen Intentionen der EMFA ursprünglich erarbeitet wurde, erläuterte Dr. Judit Bayer, Associate Professor der Budapest Business University: „Ich komme auf etwa 15 Staaten innerhalb der EU, in denen die Meinungs- und Pressefreiheit mindestens eingeschränkt oder gar massiv bedroht ist. Der EMFA unterstützt die Wertgemeinschaft der EU dabei, die Demokratie stark und wehrhaft zu machen.“ In diesem Sinne sei der EMFA ein Samenkorn, das man jetzt gepflanzt habe, um in fünf bis zehn Jahren tatsächlich ein harmonisiertes europäisches Medienrecht zu bekommen. Aktuell könne die noch junge Verordnung nicht die drängenden Probleme der Medienregulierung lösen. Sie verhindere jedoch ein weiteres Auseinanderdriften der Mitgliedsstaaten in dieser Frage.
Eine stärkere Berücksichtigung der Positionen und Wünsche der Mitgliedsstaaten war hingegen ein zentrales Anliegen für Dr. Matthias Traimer. Der Leiter der Abteilung Medienangelegenheiten und Informationsgesellschaft beim Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst in Wien sagte, dass zwar bislang viele wichtige Detailfragen zur nationalen Umsetzung des EMFA nicht geklärt werden konnten. Es sei jedoch erreicht worden, dass die Mitgliedstaaten mit am Verhandlungstisch sitzen. Größtes Manko beim Zustandekommen des EMFA sei, dass die Kompetenzen bei der Umsetzung bislang nicht geklärt worden seien. Hinzu komme eine sich widersprechende Auslegung der Verordnung. „Bislang galt die Forde-rung nach einem pluralen Medienangebot nicht als subjektives Recht. Jetzt wurde in dieser Frage eine 180-Grad-Wende vollzogen und dieses Angebot doch zu einem subjektiven Recht erklärt. Solche Entscheidungen verunsichern alle Beteiligten“, urteilte Traimer.
Dr. Martin Rupp, Head of Regulatory Affairs & Public Policy bei Sky Deutschland, erklärte auf die Frage nach einer möglichen Überregulierung, dass der EMFA aus Unternehmenssicht keine finale Lösung darstelle. Sky agiere auf verschiedenen nationalen Märkten, die bislang jeweils eigene Regulierungen hätten. Eine mit dem EMFA intendierte Gesamtharmonisierung des europäischen Medienrechts sei lediglich für global agierende Plattformen relevant und diene nicht der angestrebten Verbesserung der Medienfreiheit. „Regulierung hat durchaus ihre Berechtigung. Medienfreiheit setzt sich jedoch nicht durch eine europäische Regulierung durch, sondern muss sich in Form einer pluralen Medienlandschaft auf einem freien Markt etablieren können“, sagte Rupp.
Deregulierung des Medienmarktes
Die Teilnehmer:innen der Podiumsdiskussion brachten in diesem Zusammenhang eine Deregulierung des Medienmarktes ins Spiel. Es bestehe mit weitreichenden Verordnungen durchaus die Gefahr, dass nur noch gleichförmige Medienprodukte entstünden, die der Markt nicht annehme. Ergänzend führte Judit Bayer aus, sie sei zwar nicht sehr optimistisch, dass der EMFA bald seine Wirkung entfalten könne. Angesichts massiver Desinformationskampagnen aus Russland, der enormen Plattformdominanz oder der bedrohten Rechtsstaatlichkeit in einigen Mitgliedsländern der EU müssten aber solche Regulierungen erarbeitet und umgesetzt werden. Der Ansatz, den sie bei der Umsetzung des EMFA derzeit erkenne, sei möglicherweise doch zielführend: Ein gegenseitiges Misstrauen innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten könne dazu führen, dass die nationalen Regierungen jeweils kritisch die anderen Länder beobachten und damit ein System der „Checks and Balances“ entstehen könnte.
Maßgeblich bleibe die Einbindung der Mitgliedsstaaten in den weiteren Prozess der Harmonisierung des europäischen Medienrechts, zeigten sich die Expert:innen einig. Bayer, Rupp und Traimer forderten deshalb übereinstimmend, dass der bestehende Kontaktausschuss, der im Zuge der Umsetzung der AVMD-Richtlinien eingesetzt wurde, auch für die weitere Bearbeitung des EMFA genutzt werden sollte. Die Mitgliedsstaaten müssten erhobenen Hauptes in die Prozesse der weiteren Medienregulierung gehen.