Durch „rasante Konsolidierung“ zu mehr Kooperation

TV-Gipfel: Mehr Effizienz, weniger Programm? Wie Sender und Streamer der Rezession begegnen

Wie geht es weiter im dritten Jahr der Rezession im deutschen TV-Markt? Während der Spitzenverband der privaten Audio- und audiovisuellen Medien in Deutschland, Vaunet, ein Minus bei der klassischen Fernsehwerbung von sieben Prozent prognostiziert hat, werden die Werbeschaltungen bei den Streamern zunehmen, aber damit keineswegs mehr Geld in die Branche bringen, erläuterte Moderator Torsten Zarges zur Eröffnung des TV-Gipfels der MEDIENTAGE MÜNCHEN.

Doch die Expert:innen auf dem Podium zeigten sich zuversichtlich, den Herausforderungen der nächsten Jahre begegnen zu können: mit mehr Kooperationen und dem Versuch, preiswerter zu produzieren, ohne dadurch billiger zu wirken.

Dr. Christoph Schneider, Country Director von Prime Video Deutschland, verwies auf den Erfolg von „Maxton Hall“. Die deutsche Produktion ist die weltweit beliebteste nicht-US-amerikanische Serie bei Amazon. Obwohl sie auf ein junges Publikum zugeschnitten sei, erreiche sie auch „jede Menge Frauen über dreißig“, schilderte Schneider eine Beobachtung, die er bei der Premiere der letzten Staffel im Berliner Tempodrom gemacht habe.

Zufrieden zeigte sich auch Elke Walthelm, Chief Operating Officer bei Sky Deutschland, mit dem anhaltenden Erfolg der Reality Soap „Diese Ochsenknechts“. Henrik Pabst, Chief Content Officer bei ProSiebenSat.1 Media, verwies darauf, wie sehr seine Sendergruppe auf bewährte Formate wie „Der letzte Bulle“, „The Taste“ und „Joko&Klaas“ setze. „Wir haben viele starke Marken und auf die konzentrieren wir uns gerade“, sagte Pabst, dessen Unternehmen kürzlich mehrheitlich von der italienischen Media for Europe übernommen worden ist.

Dr. Katja Wildermuth, Intendantin des Bayerischen Rundfunks (BR), pries den Erfolg diverser „Berg-Formate“ ihres Senders, wie unter anderem „Die Bergretter“. Sie zeigte sich aber auch erfreut darüber, dass sich die Bewerbungszahlen für ein BR-Volontariat verdoppelt hätten. Sie beobachte, dass das auch mit der Arbeit von Sophie von der Tann zu tun habe, die in den Bewerbungen mit ihrer Arbeit im ARD-Büro Tel Aviv als Vorbild erwähnt werde. Wildermuth war es auch, die in der Diskussion immer wieder auf die gesellschaftliche Verantwortung der Medien und vor allem der ARD verwies.

Wie sehr Zusammenarbeit in der Produktion, aber auch in der Distribution schon längst das TV- und Streaming-Geschäft bestimmt, wurde am Beispiel von YouTube und Amazon deutlich. Andreas Briese, YouTubes Director Content Partnerships for Central Europe, erklärte: „Wir sind die Plattform, nicht der Programmdirektor.“ Doch viele von YouTubes Creators produzierten längst in TV- oder sogar Kinoqualität, sagte Briese – und gehen, wie in der Reality-Serie „The Race“, eine Kooperation mit Joyn ein, der Streaming-Plattform von ProSiebenSat.1. Henrik Pabst erläuterte, es sei schon vor vier Jahren damit begonnen worden, „diese Welt zu Joyn zu bringen“. Das „Ökosystem Reichweite“ habe sich sehr stark verändert, was dazu führe, dass man in Zukunft noch mehr mit YouTube und anderen Streaming-Anbietern kooperieren werde, um Zielgruppen jenseits des klassischen Fernsehens zu erreichen. „Es gibt einfach bestimmte Nutzergruppen, die bekommt man nicht mehr zurück.“

BR-Intendantin Katja Wildermuth stimmte ihm zu, betonte jedoch, dass Amazon und die YouTube-Muttergesellschaft Google schon jetzt eine enorme Marktmacht hätten. Wichtig für das Mediensystem sei es aber auch, dass es noch unterscheidbare Anbieter und Inhalte geben müsse. Die öffentlich-rechtlichen Programmanbieter hätten den Auftrag, zur demokratischen Meinungsbildung beizutragen, und deshalb sei man natürlich auch überall da, wo diese stattfinde, also auch auf YouTube. Doch der Absender der Inhalte müsse weiter erkennbar sein.

Christoph Schneider betonte, sein Ziel sei es, dass Amazon die „One-Stopp-Destination“ in Deutschland werden soll. Deshalb sei jetzt auch RTL+ mit seinen Inhalten dort vertreten, ebenso wie WOW, das Angebot von Sky. Elke Walthelm von Sky sagte: „Bundles sind einfach eine wichtige Vermarktungsstrategie“, auch wenn es natürlich schöner sei, wenn die Kunden direkt ein Abo bei Sky abschlössen. YouTube wiederum sei für den Bezahl-TV-Anbieter vor allem eine Promo-Möglichkeit, um größere Zielgruppen zu erreichen.

Nach Angaben von Katja Wildermuth investiert die ARD pro Jahr 860 Millionen Euro in den Produktionsstandort Deutschland. Die anderen Podiumsteilnehmer wollten auf Nachfrage keine konkreteren Zahlen nennen, gaben aber zu, dass sie niedriger seien. YouTube-Manager Briese verwies darauf, dass durch sein Unternehmen rund 28.000 Arbeitsplätze in Deutschland entstanden seien, und Henrik Pabst räumte ein, dass seine Sendergruppe rund eine Milliarde Euro investiere – eine Zahl, die er aber nicht spezifizierte. Der Markt befinde sich in einer Phase der „radikalen Konsolidierung“, sodass es dringend geboten sei, die Produktionskosten zu senken. Hier könne und müsse KI helfen. Vor diesem Hintergrund sei zum Beispiel auch die Zusammenarbeit mit Amazon bei der Produktion von „Der letzte Bulle“ zu sehen.

Christoph Schneider, Country Director von Prime Video in Deutschland und Österreich, ergänzte, dass es nicht nur darum gehe, die Kosten auf mehrere Schultern zu verlagern, sondern auch um mehr Reichweite durch eine Kooperation zu erreichen. Das führe dann zu mehr Staffeln in hoher Qualität.