„Die Menschen über sich selbst zum Lachen bringen“
Lustig sein im Internet – Online-Humor trifft Debattenkultur
Was macht Humor im Internet und auf sozialen Online-Plattformen aus, und darf man über alles Witze machen? Und wie ist das Leben als Transfrau in Deutschland und in der Welt? Darüber sprach Gazelle Vollhase, Content Creatorin und Social-Media-Star, auf einem Podium der MEDIENTAGE MÜNCHEN. Die Frau, die bei TikTok und Instagram zurzeit insgesamt fast 700.000 Follower hat, erklärt ihrem Publikum mit feinem Humor und gutem Gespür für Menschen, was „typisch Deutsch” ist. Nebenbei klärt Gazelle Vollhase via Social Media noch über ihre Transition als Transfrau auf.
Nach dem dritten Jahr habe sie bei den meist improvisierten „typisch-Deutsch“-Videos, in denen sie vermeintliche Marotten der Deutschen auf die Schippe nimmt, keine Scham mehr. Wichtig sei ihr, dass sich die Menschen darin wiedererkennen und über sich selber und am besten auch noch gemeinsam lachen. „Das ist mein Ziel“, sagte Gazelle Vollhase, die in dieser Rolle liebevoll eine Ruhrgebietsfrau verkörpert und Mutter, Oma, Tante als Vorbilder nennt. Insgesamt findet Gazelle Vollhase, dass „die Deutschen extrem gut über sich lachen können.“
Nicht alles ist lustig, nicht jeder darf alles
Kritisch werde es dagegen, wenn sie über ihre eigene Transition spreche. „Dann ist die Rezeption vieler Menschen eine völlig andere.“ Statt einfach ihre geschilderten Erfahrungen – ob diskriminierende oder euphorische – stehen zu lassen, fühlten sich viele bemüßigt, eine Bewertung oder einen Kommentar abzugeben. Dies habe für sie einen mitunter bedrückenden Beigeschmack, schließlich wolle sie ihre persönlichen Erfahrungen während des Prozesses – der echt „heavy“ sei – einfach nur teilen.
Auf die Frage, ob Satire oder Comedy alles dürfe, äußerte Gazelle Vollhase eine klare Meinung: „Über marginalisierte Gruppen Witze zu machen, geht gar nicht. Das ist unmöglich.“ Dazu zähle beispielsweise, dass ein Nicht-Trans-Mensch einen Witz über einen Trans-Mensch mache. Schließlich hätten es marginalisierte Gruppen per se schon schwerer. Als eine zunehmende Gefahr beschrieb Gazelle Vollhase in diesem Zusammenhang den Algorithmus auf TikTok, der Inhalte zufällig bzw. auf Basis von Benutzer:innenpräferenzen und Engagement – und nicht nach Follower:innen – ausspiele. Videos würden so verstärkt in eine falsche Ecke „abdriften“. Dann seien Hass und Hetze nicht mehr weit. Als positives Gegenbeispiel nannte Gazelle Vollhase Instagram, wo sie viel Zuspruch von ihren Follower:innen erhalte.
Obwohl es nicht immer einfach sei, im Internet lustig zu sein, empfehle sie anderen Menschen, den Schritt in die Social-Media-Welt ruhig zu wagen: „Wenn wir – gerade als marginalisierte Gruppe – anstrengende Themen haben, dann hilft Humor. Also rein ins Internet“, forderte Gazelle Vollhase.