Die Lüge als intrinsische Wahrheit?
Trumpocalypse Now?
Sollte Donald Trump die US-Präsidentschaftswahl in wenigen Tagen knapp verlieren, sei die Gefahr groß, dass es zu Gewaltausbrüchen im Land komme. Diese düstere Prognose bildete das Schlusswort der Journalistin, Autorin, Podcasterin und Extremismus-Expertin Annika Brockschmidt bei einem Gespräch zum Thema „Trumpocalypse Now?“ während der MEDIENTAGE MÜNCHEN.
Brockschmidt diskutierte mit Moderator Richard Gutjahr über die Fragen, warum fünf Jahre nach dem Sturm auf das Capitol Donald Trump wieder nächster Präsident der USA werden könnte und welche Rolle dabei die Republikanische Partei spielt.
Image als Außenseiter als Erfolgsfaktor für Trump
Damals, am 6. Januar 2021, hätten so ziemlich alle Republikaner und politischen Kommentatoren an Trumps Ende als Politiker geglaubt – allerdings nur 48 Stunden lang. „Sobald aber zur Führungsriege der Partei durchgedrungen war, dass große Teile der Basis entweder nichts dagegen hatten oder es womöglich sogar gut fanden, dass es zum Sturm aufs Capitol kam, gab es ein sehr unwürdiges Zurückrudern“, erklärte Brockschmidt. Auch später habe es immer wieder Momente gegeben, in denen sich große Teile der Partei gegen Trump hätten stellen wollen, dann aus machtpolitischem Kalkül aber zurückzogen.
Diskutiert wurde auch die Frage, wieso Donald Trump und sein engeres Umfeld ganz offensichtlich falsche Tatsachen behaupten und trotzdem unter ihren Wählern keine Konsequenzen zu befürchten haben. Annika Brockschmidt verwies in diesem Zusammenhang auf die Rolle, die Trump für seine Anhänger:innen spiele. Er werde mehr als Unterhalter denn als Politiker gesehen. „Sein Image als Außenseiter, der auf den Tisch haut – unabhängig davon, dass er als Ex-Präsident das Gegenteil von einem Washington-Außenseiter ist –, führt dazu, dass seine eigenen Fans ihn nicht als Politiker bewerten, sondern letzten Endes nach den Maßstäben eines Entertainers.“ Deshalb habe ihm während des TV-Duells mit Kamala Harris auch die Behauptung, Migrant:innen in Springfield würden Hunde und Katzen essen, überhaupt nicht geschadet.
Offene Lügen im Wahlkampf
Brockschmidt, Autorin zweier Bücher über die extreme Rechte in den USA, verwies auch darauf, dass die Lüge aus dem TV-Duell vom designierten Vizepräsidenten J.D. Vance später gerechtfertigt wurde. Die US-Medien hätten die Probleme mit den Einwanderer:innen in Springfield bislang immer ignoriert, so dessen Argumentation. Deshalb müsse man solche Geschichten erschaffen, damit diese auf das Leid der heimischen Bevölkerung aufmerksam machen würden. Im Kern, so urteilte Brockschmidt, sei das eine faschistische Logik, ganz nach der Devise: „Das, was ich erzähle, ist eine Lüge. Und ich weiß, dass es gelogen ist. Aber damit enthülle ich eine intrinsische Wahrheit über eine angebliche Bedrohung des wahren amerikanischen Volkes.“
Auf die Frage, wer die Wahl gewinnen werde, wollte sich Annika Brockschmidt nicht festlegen. Allerdings halte sie es für einen Fehler, wenn Kamala Harris sich jetzt noch auf die vermeintlich unentschlossenen Wähler:innen konzentriere, statt die Basis zu mobilisieren. Entscheidend sei vermutlich das Wahlergebnis in Pennsylvania. Ohne einen Sieg in dem hart umkämpften Swing State werde es für Harris schwierig, Präsidentin zu werden.