Der Schlüssel zu mehr Streaming-Abos
Future Video: Suchen. Finden. Bleiben. Wie Usability und Content-Discovery den Streaming-Erfolg entscheiden
Das beste Programm nützt nichts, wenn es niemand findet. Daher lautet die Frage aller Fragen: Wie erreiche ich, dass meine Inhalte beim Publikum ankommen, und zwar möglichst schnell und einfach? Darüber haben Expert:innen während der MEDIENTAGE MÜNCHEN diskutiert.
„Vor dem Spaß kommt die Qual der Wahl“, so lautete das Fazit von Lisa Jäger, Partnerin bei der Beratung Simon-Kucher. Denn: Streaming-Dienste bieten viele Inhalte – doch oft fehlt die Orientierung. Unklare Navigation, unpassende Vorschläge und überladene Oberflächen erschweren die Suche und können letztlich dazu führen, dass die User ihr Abo kündigen.
Laut der von der Strategieberatung Simon-Kucher durchgeführten Global Streaming Study 2025 dauert die Inhalteauswahl (Content-Discovery) im Schnitt 10,5 Minuten. Das ist die Zeit, die Kund:innen auf dem Service verbringen, bis sie den Inhalt starten. Um die Zahl zu relativieren: Bei vielen dauert die Reise erheblich länger, denn jene, die bereits vor Start des Angebots wissen, was sie sehen wollen, wurden ebenfalls berücksichtigt. Dabei sind die Inhalte und auch deren Auffindbarkeit laut der Studie das Kaufkriterium Nummer 1. Der Preis steht erst an zweiter Stelle. „Immer mehr Streamer sind von der Content-Fülle überfordert und finden oft nicht schnell genug den gewünschten Inhalt. In der Konsequenz kann das den Churn befeuern“, erklärte die Expertin einen drohenden Abwanderungsprozess. „Zehn Prozent der Befragten, die einen Dienst in den vergangenen zwölf Monaten gekündigt haben, gaben als Grund an, mit der Suche überfordert gewesen zu sein“, sagte Jäger.
Anders als möglicherweise von vielen angenommen, ist Werbefreiheit auf einem Streaming-Dienst kein absolutes Kaufkriterium mehr. Werbung wird inzwischen akzeptiert. Laut Studie sind sowohl bei Netflix als auch bei Disney+ 29 Prozent der Abonnements werbefinanziert. „User legen jedoch darauf Wert, die verbleibende Zeit einer Werbepause zu kennen, das macht das Warten leichter“, berichtete Jäger. Kriterien wie Preis, Auswahl an Inhalten, Flexibilität bei Kündigungsfristen, exklusive Inhalte, Einfachheit der Nutzung sowie Werbefreiheit sind also wichtige Kriterien, damit Nutzer:innen ein Abonnement abschließen. Doch dann, und das ist oftmals die größte Herausforderung, gehe es darum, sie zu hindern, dieses wieder zu kündigen. Und das hat meist nur dann Erfolg, wenn es gelingt, „den Frust gering zu halten“, sagte der Diskussionsmoderator und Medienfachjournalist Jörn Krieger. Es brauche durchdachtes Design, kluge Personalisierung und den Einsatz von Daten, um das Nutzungserlebnis zu verbessern.
Um die User möglichst individuell anzusprechen, setzen Streaming-Anbieter deshalb auf strategische Plattformgestaltung, smarte Recommendation-Engines und datenbasierte UX-Optimierung. Das sind die wesentlichen Voraussetzungen, um in einem gesättigten Markt relevant zu bleiben und langfristige Zahlungsbereitschaft zu sichern. Darüber zeigten sich die Expert:innen einig.
Josephine Kittner ist Senior Vice President Content Strategy, Discovery & Analytics bei RTL+. Zu ihren Aufgaben gehören neben der strategischen Content-Steuerung auch Maßnahmen zur Erhöhung der Sichtbarkeit. „Wir haben ein sehr umfangreiches Portfolio und die Navigation dorthin ist unsere Kernaufgabe“, sagte Kittner. „Zahlreiche Datenpunkte aus der Nutzung füttern unseren Empfehlungsalgorithmus.“ Auch das ZDF setze „auf eine Vielzahl von Instrumenten“, um die öffentlich-rechtlichen Inhalte bekannt zu machen, erklärte Natalie Müller-Elmau, Senderchefin des Kultur- und Wissenschaftssenders 3sat und Direktorin Audience beim ZDF. Der dazu genutzte Algorithmus sei öffentlich unter Internetadresse algorithmus.zdf.de nachlesbar.
Damit die Nutzer:innen nicht nur „more of the same“ vorgeschlagen bekommen, sondern zusätzlich auch die ein oder andere versteckte Perle aus dem Programmstock entdecken, kombiniert das ZDF die Datenauswertung mit der Erfahrung der non-linearen Programmplanung. „Wir streuen gezielt andere Inhalte ein. So bringen wir Überraschendes nach vorne“, sagte die 3sat-Chefin. Auch bei RTL+ fließt Kuration mit ein – gemäß dem Motto: „Discovery beats search“. Deshalb arbeite man bei RTL+ mit einer Kombination. Das Verhältnis aus Empfehlungs-Engines und Kuration liege bei rund 70 zu 30 Prozent. Marco Hellberg, Geschäftsführer des Unternehmens CANAL+ Germany, das in Österreich auch einen Pay-TV-Sender betreibt, nutzt ebenfalls Meta-Daten für die Personalisierung. Er könne sich vorstellen, dass diese künftig genutzt werden, um beispielsweise unterschiedliche Trailer automatisiert für die jeweiligen Nutzergruppen zu erstellen und auszuspielen. Dennoch, so erklärte Hellberg, setze er deutlich stärker auf den Faktor Mensch, als das bei anderen Anbietern der Fall sei. Er zeigte sich jedoch sehr sicher: „Menschliche Kuratierung schlägt KI.“