Belebung durch Partizipations- und Echtzeitjournalismus
Local First, Digital Only. Wie digitale Formate den Journalismus vor Ort beleben
Im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN haben Gründer:innen von neuen lokalen Medienangeboten darüber diskutiert, wie sie sich journalistisch und redaktionell von den „etablierten lokalen Medien“ unterscheiden und dadurch „konkurrenzfähig“ werden könnten.
Dabei stellte sich heraus, dass die Herangehensweisen und Umsetzungen sehr unterschiedlich sind. Die Spannbreite erstreckt sich von der „ausführlichen“ Berichterstattung zu relevanten Themen „in der „Tiefe und in der Breite“ über „Einbeziehung der Leser in die Redaktionskonferenz“ bis zur „minutenaktuellen Berichterstattung“. Ebenso unterscheiden sich die Erlösmodelle, die notwendig sind, um rentabel zu werden. Sie reichen von Fördervereinen, deren Mitglieder „freiwillig Geld geben“, und Gesellschafterkreise als Kapitalgeber bis zu Spenden für Prozesskosten oder das Einwerben von Geldern von Stiftungen. Die Kombination solcher Instrumente mit klassischen Einnahmequellen wie Abonnements, Werbung und Paid-Content, der bezahlt werden muss, sollen die Geschäftsmodelle in die Gewinnzone führen.
Stefan Aigner ist Gründer von Regensburg Digital, einem unabhängigen, lokaljournalistischen Online-Magazin. Er habe sich auf „kritischen und investigativen Lokaljournalismus“ spezialisiert, erklärte er. Relevante Themen ausführlich zu recherchieren und eine „deutliche Sprache zu sprechen“, sei seine journalistische Vorgehensweise. Das setze ausführliche Recherchen voraus, die er zusammen mit einem festen Mitarbeiter und mit „unregelmäßig mitarbeitenden“ Kolumnisten und Tagezeitungsredakteuren umsetze. Die Thematisierung und Aufdeckung des Missbrauchs bei den Regensburger Domspatzen habe „große Aufmerksamkeit in Regensburg und Umgebung“ generiert. Siebzig Prozent der Einnahmen seines Unternehmens seien Spenden von freiwilligen und „festen“ Mitgliedern eines Fördervereins, ergänzt durch Werbeeinahmen. Zudem habe er zur Deckung der Prozesskosten des Verfahrens nach der anschließenden Klage durch die Diözese Regensburg Spenden erhalten.
Marc-Stefan Andres ist Gründer und Produkt-Manager von RUMS-Medien – Neuer Journalismus für Münster. Da die Bürger der Stadt Münster „zur Hälfte politisch grün“ seien, habe er die Notwendigkeit erkannt, eine „Alternative zu den konservativen Blättern der Stadt“ anzubieten, und zwar „im Sinne eines Neuen Journalismus für Münster“. Die Berichterstattung seines Medienprojektes gehe „tief in die Stadtthemen rein“, indem nicht nur eine Quelle bei Recherchen herangezogen werde, sondern „fünf bis sieben Quellen“ benutzt würden. Alternativ zu den etablierten Lokalzeitungen setze er auf „rein digitale“ Inhalte, die per Newsletter direkt an die Leser versendet werden. Einnahmequellen seien ein „Abo-Modell, Werbung und ein Gesellschafterkreis als Kapitalgeber“, der teilweise aus prominenten Medienschaffenden bestehe, die „schauen, ob das Geschäftsmodell funktioniert, um eventuell Teile in ihre Unternehmen zu übertragen“, erklärte der Produktmanager, Mitgründer und Gesellschafter von RUMS.
Alexandra Haderlein, Gründerin und Geschäftsführerin der Relevanzreporter Nürnberg, setzt darauf, „Menschen miteinander in Kontakt zu bringen“. Sie praktiziere einen Lokaljournalismus, der einen Dialog ermögliche, indem sie die Leser zu den Redaktionskonferenzen einlade, um gemeinsam Themen zu finden, erklärte sie ihre Vorgehensweise. Dadurch würden Nutzer ein „Gefühl von Selbstwirksamkeit“ erhalten. Die Relevanzreporter Nürnberg sind eine gemeinnützige Unternehmergesellschaft (gUG). Diese Rechtsform ermöglicht es, ohne viel Kapital zu starten und Gelder von Stiftungen einzuwerben.
Florian Schiller, Geschäftsführer von OVB Media, einer Mediengruppe mit zahlreichen Medienangeboten in Rosenheim, erklärte seine Motivation, „Inhalte aus dem Printbereich nicht eins zu eins ins Digitale zu verlängern“. Er habe deshalb innerhalb der Mediengruppe ein Angebot auf den Weg gebracht, „das minutenaktuell über Ereignisse berichtet“. Sein Live-Ticker zu Themen sei die „Markenpositionierung“ gegenüber den übrigen Medien in der Region. Außer Paid-Content und Einnahmen durch weitere Plattformen wie Jobbörsen und Vermarktungsagenturen sei geplant, die Zahl der Abonnenten zu erhöhen.