
Am Ende profitieren Marken und Menschen
Demokratie, Medienvielfalt, Haltung und Nachhaltigkeit – Welche Verantwortung haben Werbungtreibende?
Was ist wahr und was nicht? Fake News, Hate Speech und Deep Fakes machen es immer schwerer, Desinformation von validen Nachrichten zu unterscheiden. Gleichzeitig sinkt das Vertrauen in die Medien, die aber wiederum wichtig für die Meinungsbildung wie auch für den Erhalt unserer demokratischen Grundstrukturen sind. Hinzu kommt: Werbungtreibende verlagern ihre Mediabudgets verstärkt auf internationale, digitale Plattformen. Die Refinanzierung von klassischen Medien gerät damit zunehmend unter Druck und die Marktmacht der großen Online-Konzerne steigt – eine ungesunde Entwicklung und Gefahr für Meinungsvielfalt und Demokratie. Vor dieser Kulisse haben Expert:innen im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN die Verantwortung der Werbungtreibenden und Mediaagenturen diskutiert. Dabei ging es um Demokratie, Meinungsfreiheit und Nachhaltigkeit.
Iniatiative 18 für freie, sichere und nachhaltige Medien
Zur Einstimmung erläuterte Holger Thalheimer, Chief People & Culture Officer bei der Omnicom Media Group Germany und Co-Founder der „Initiative 18“, warum sich die Initiative für „freie, sichere und nachhaltige Medien“ als 18. Ziel im Nachhaltigkeitskanon der UN stark macht: „Nachhaltigkeit bezieht sich nicht nur auf ökologische Aspekte. Wir alle können als Branche mit unseren Investitionen auch dazu beitragen, dass Medienvielfalt gestärkt, Des-information reduziert und damit demokratische Grundstrukturen geschützt werden.“ Dass sowohl Werbungtreibende als auch Agenturen eine Verantwortung haben, darüber herrschte bei den Expert:innen Einigkeit. „Wir müssen uns über die Wertschöpfungskette der Media Gedanken machen“, bekräftigte Prof. Dr. Lisa-Charlotte Wolter. Die Studiengangsleitung Online Marketing bei der IU International University of Applied Sciences forscht gerade an einem Ansatz zur Bewertung von Medien.
Auch die GroupM, Deutschlands größte Mediaagentur, engagiert sich für Demokratie und Medienvielfalt. Sie hat dazu die „Back-to-News“-Initiative ausgerollt: Um Werbekunden die Möglichkeit zu bieten, ihre Mediainvests in glaubwürdige Qualitätsmedien zu lenken, hat die weltgrößte Mediaagentur eigens einen Marktplatz für als „hochwertig“ eingestufte Online-Nachrichtenseiten entwickelt, auf dem Werbekunden buchen können. Auf Basis von elf Kriterien – beispielsweise in Bezug auf faktenbasierte Quellen, einen ethischen Kodex oder Brand-Safety-Standards – wird ein Punkte-Rating „qualitätsvoller“ Online-Angebote erstellt, die leichter (also bevorzugt) gebucht werden können. „Dabei geht es uns vor allem darum, dass wir gemeinsam verantwortungsvolle Entscheidungen treffen können“, erklärte Nadja Schick, Managing Partner Sustainability bei GroupM Germany.
Plattformen müssen Verantwortung für Inhalte übernehmen
Tobias Conrad, Geschäftsführer des Crossmedia-Vermarkters Brand Community Network (BCN), bezeichnete es als problematisch, wenn einzelne Mediaagenturen oder von ihnen initiierte Konsortien sich anmaßen würden, zwischen ,gutem‘ und ,schlechtem‘ Journalismus zu unterscheiden und zwischen ,hochwertigen‘ und ,minderwertigen‘ redaktionellen Produkten. BCN ist ein Gemeinschaftsunternehmen zur Werbevermarktung von Hubert Burda Media, der Funke Mediengruppe und der Mediengruppe Klambt. Conrad vertrat die Ansicht, Qualitätsmedien seien – vereinfacht gesagt – alle Medien, die dem Presserecht unterliegen und sich dem Pressekodex verpflichten würden. „Wir sind für unsere Inhalte verantwortlich. Die Plattformen sind das nicht. Wir müssen die Plattformen dringend in die Verantwortung für ihre Inhalte bringen“, forderte Conrad.
Auch Dr. Christian Hahn, Vice President Marketing Communications & Media bei der Deut-schen Telekom, begrüßte die Initiativen. Jede sei per se gut und alle seien sinnvoll. Dennoch lautete sein Appell: „Wir dürfen uns nicht in Verbandsideen verlieren und ein neues KPI-Gerüst aufbauen. Es geht darum, die Menschen zu erreichen und ihr Bewusstsein zu schärfen.“ Das Bewusstsein für Demokratie, Haltung oder Medienvielfalt dürfe nicht bei Expert:innen enden, sondern müsse in die Gesellschaft getragen werden.
Ende der grünen Welle nicht in Sicht
„Das Ende der grünen Welle ist noch nicht in Sicht“, begann Catherin Anne Hiller, Geschäftsführerin der Gesellschaft für integrierte Kommunikationsforschung (GIK) und Leiterin Strategic Marketing der Funke Mediengruppe, ihren Impulsvortrag zum zweiten Teil der Diskussion, bei dem es um „Nachhaltigkeit“ ging. Zwar stagniere das „grüne“ Bewusstsein und Handeln der Menschen, dennoch wünschten sich 52 Prozent der Bürger:innen transparente Kommunikation zur Nachhaltigkeit von Medien. 33 Prozent – so eine weitere Zahl aus Deutschlands größter Markt-Media-Studie – kaufen Marken, deren Anbieter sich gesellschaftlich engagieren.
Ina von Holly, geschäftsführende Gesellschafterin der Kommunikationsagentur We Do communication und Vorstandsmitglied für Nachhaltigkeit beim Gesamtverband Kommunikationsagenturen e.V. (GWA), vertrat die Ansicht, dass trotz strengerer Regularien wie der Green Claims Directive der EU auch in der Werbung die „grüne Welle“ erst starte. „Der konsequente Weg der EU bringt noch einmal eine enorme Dynamik und neue Kreativität in den Markt. Es wird Zeit, dass alle sich den neuen Anforderungen und Herausforderungen der Transformationen stellen und aktiv werden – am Ende profitieren Marken und die Menschen von einem höheren Vertrauen.“